Auch aus der Aussage, Michael Schumacher habe "warme Hände", können bereits Rückschlüsse über dessen Gesundheitszustand gezogen werden. Die Berichterstattung darüber verletzt dessen Persönlichkeitsrecht, so der BGH.
Die zwei von der Bauer Media Group betriebenen Online-Portale maennersache.de und intouch.wunderweib.de haben mit der Berichterstattung über den Gesundheitszustand des ehemaligen Formel 1 Fahrers Michael Schumacher dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) hervor, die am Montag veröffentlicht wurde (Urt. v. 14.03.2023, Az. VI ZR 338/21).
Der Formel 1 Rekordweltmeister war 2013 beim Skifahren schwer gestürzt und befindet sich seitdem in medizinischer Rehabilitation. Über den Gesundheitszustand Schumachers machen seine Familie und sein Management kaum öffentliche Angaben.
Im November 2018 machte Erzbischof Georg Gänswein Details zu einem Besuch im Hause der Familie Schumacher gegenüber der Bunten und der Bild publik. Die Bauer-Portale berichteten ebenfalls über den Besuch des Erzbischofs und zitierten diesen unter anderem mit den Äußerungen "(…) dann brachte ein Therapeut Michael Schumacher ins Wohnzimmer", "(…) hielt seine Hände, die warm waren" und "Sein Gesicht ist so, wie wir es alle kennen, das typische Michael Schumacher-Gesicht; nur ein wenig fülliger ist er geworden." Schumacher nahm den Verlag daraufhin auf Unterlassung in Anspruch.
OLG sah keine unzulässigen Aussagen zum Gesundheitszustand
Das Landgericht (LG) Frankfurt gab der Klage weitestgehend statt, das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt wies die Klage auf Berufung des Verlags dann aber insgesamt ab. Dem öffentlichen Interesse und der Pressefreiheit sei Vorrang gegenüber dem Persönlichkeitsrecht Schumachers einzuräumen, so OLG. Die Formulierungen "warme Hände" und "fülligeres Gesicht" blieben laut OLG ohne nennenswerte Aussagekraft für die Frage, wie es um die Gesundheit Schumachers stehe. Es werde außerdem nur berichtet, dass der Therapeut Schumacher ins Wohnzimmer gebracht habe. Wie das erfolgt sei - im Rollstuhl, gestützt oder auf andere Weise - sei nicht Gegenstand der Berichterstattung.
Die Revision Schumachers hatte am BGH teilweise Erfolg. Die in den Äußerungen des Erzbischofs enthaltenen Angaben über den körperlichen Zustand Schumachers und die Umstände seiner Genesung beeinträchtigen Schumachers Persönlichkeitsrecht erheblich, befand der BGH. Zwar seien Angaben über Gesichtszüge oder darüber, ob die Hände warm waren, bei einem gesunden Menschen bloße Nebensächlichkeiten und kaum berichtenswert. Dies sei aber bei einer in der Öffentlichkeit überaus bekannten Person, deren konkretes Aussehen und konkreter Gesundheitszustand seit dem Skiunfall nur dem engen persönlichen Umfeld bekannt sind, anders. "In diesem Fall sind auch solche begrenzten Einblicke geeignet, Erkenntnisse über den körperlichen Zustand des Klägers und den Verlauf seiner Genesung zu gewinnen", so der BGH.
BGH: Angaben haben in der Öffentlichkeit "nichts zu suchen"
Dasselbe gelte für die Angabe, dass Schumacher von einem Therapeuten ins Zimmer gebracht wurde. Diese Angabe mache für den Leser anschaulich, dass Schumacher motorische Einschränkungen habe und ihm bei dieser alltäglichen Verrichtung Hilfe zur Verfügung stehe. Die Berichterstattung vermittle den Eindruck, dass sich Schumacher in einem gebrechlichen und hilfsbedürftigen Zustand befinde. Solche konkreten Angaben über Schumachers Gesundheitszustand haben laut BGH in der Öffentlichkeit "nichts zu suchen".
Den Einwand des Bauer-Verlags, Schumacher verhalte sich widersprüchlich, weil er nicht auch gegen Bild und Bunte vorgegangen sei, ließ der BGH nicht gelten. Es könne dahinstehen, ob dies überhaupt zutreffe. Der Verweis auf das rechtswidrige Verhalten Dritter können einen Störer grundsätzlich nicht entlasten. "Die Tatsache, dass anderweitige Presseberichterstattungen mit den angegriffenen Text- passagen noch verfügbar sind und der Kläger gegen sie nicht vorgegangen ist, bedeutet nicht, dass er ihre Verbreitung billigt."
Daneben hatte Schumacher noch zwei weitere Textpassagen gerügt, in denen Gänswein mit den Worten "Ich begrüßte Michael Schumacher" und "Zum Abschied habe ich mit dem Daumen ein Kreuzzeichen auf seine Stirn gezeichnet und ihm mein Gebet versprochen" zitiert wurde. Hier war die Revision allerdings erfolglos. Konkrete Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand ließe sich aus den Passagen nicht entnehmen, so der BGH. Es liege nur eine unerhebliche Beeinträchtigung von Schumachers Privatsphäre vor, weshalb das Persönlichkeitsrecht das Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht überwiege.
Schumachers ständiger Anwalt in Persönlichkeitsrechtssachen ist der Frankfurter Medien- und Presserechtsexperte Felix Damm von Damm Rechtsanwälte*. Gegenüber LTO begrüßt Damm die Entscheidung. "Es ist erfreulich, dass private Lebensumstände eines Betroffenen nicht deshalb öffentlich dargestellt werden dürfen, weil sie durch Besucher ausgeplaudert werden, denen Zugang zu Privatsphäre gewährt wurde. Dass dies auch gilt, wenn der Besucher ein hoher katholischer Würdenträger ist, war für mich eigentlich selbstverständlich."
acr/LTO-Redaktion
*Rechtsanwalt Damm hat Schumacher nicht vor dem BGH vertreten. Die Stelle wurde korrigiert, 04.04.2023, 15:17 Uhr.
BGH zur Berichterstattung über Michael Schumacher: . In: Legal Tribune Online, 04.04.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51478 (abgerufen am: 14.12.2024 )
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