BGH klärt Nachbarschaftsstreit: Da steht ein Pferd im Schlaf­zimmer

27.11.2020

Ein Pferdehof in Sachsen-Anhalt baute einen Stall direkt an die Grundstücksgrenze. Die Nachbarn hören Tritte gegen die Boxenwände und lautes Wiehern. Nach langem Prozessieren ist der Streit nun höchstrichterlich geklärt.

Ein Pferdestall keine 13 Meter vom Einfamilienhaus der Nachbarn entfernt - kann das gut gehen? In einem kleinen Ort in Sachsen-Anhalt gab es deswegen heftigen Streit, am Freitag musste der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden. Sein Urteil: In Zukunft darf die beklagte Inhaberin des Pferdehofs in dem Stall keine Pferde mehr unterbringen. Die Nachbarn müssen sich lautes Wiehern und Tritte gegen die Boxenwände insbesondere nachts nicht anhören (Urt. v. 27.11.2020, Az. V ZR 121/19).

Der Fall war besonders kompliziert, weil der Pferdehof für den Stall schon gar keine Baugenehmigung hatte. Nachträglich ließ sich das nicht mehr korrigieren: Die Inhaberin hatte versucht, die Erteilung einer solchen gerichtlich zu erreichen - vergeblich. Das Verwaltungsgericht war der Ansicht, dass der Stall die gebotene Rücksichtnahme auf das Wohnhaus der Nachbarn vermissen lasse. Hinzu kam der Streit vor den Zivilgerichten, den der BGH nun entschied.

Der Fall drehte sich vor allem um die Frage, ob der Pferdehof in der Gemeinde Petersberg zumindest erst einmal die Chance bekommen musste, den Lärm abzustellen. Die Nachbarn, deren Schlafzimmer zu allem Überfluss auch noch in Richtung des Stalles ausgerichtet ist, sahen sich vor allem nachts gestört. Außerdem klagten sie darüber, dass das Füttern frühmorgens und abends und die Ankunft anderer Pferde im Stall mit viel Unruhe und Krach verbunden seien.

OLG hielt Lärmverringerung für möglich

Der zuständige Richter am Landgericht (LG) Halle hatte sich in erster Instanz nicht vorstellen können, wie der Lärm in den Griff zu bekommen wäre: Man müsste die Pferde durch Fesseln zum Stillstehen zwingen und ihnen gegen das Wiehern eine Art Maulkorb anlegen - Maßnahmen, die gegen den Tierschutz verstießen. Also untersagte er die Nutzung des Stalls in seiner Entscheidung im Jahr 2018 gleich ganz.

Das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg ließ sich ein halbes Jahr später überzeugen, dass da vielleicht doch etwas möglich sei – durch gepolsterte Boxenwände zum Beispiel. Oder ein dämpfender Belag im Auslauf gegen das Hufgetrappel. "Entscheidend ist allein, ob es bei einer unzumutbaren Lärmbelästigung zu Lasten der Klägerin verbleibt", heißt es in dem Urteil aus dem April 2019. Der Pferdehof wurde verurteilt, in dem Stall die behördlichen Lärmschutzgrenzwerte einzuhalten.

Dass der BGH diese Entscheidung kritisch sieht, hatte die Vorsitzende Richterin Christina Stresemann schon in der Verhandlung am 2. Oktober angedeutet. Schließlich hatten die Verwaltungsgerichte den Stall an der Grundstücksgrenze schon für baurechtlich nicht zulässig erklärt, hieß es aus Karlsruhe.

Fall geht teilweise zurück ans OLG

Die nachbarschützenden Vorschriften des öffentlichen Baurechts könnten auch privatrechtlich einen Unterlassungsanspruch begründen, sagte Stresemann nun bei der Urteilsverkündung am Freitag (§ 1004 Abs. 1 S. 1 analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und öffentlich-rechtliches Gebot der Rücksichtnahme). Die klagenden Nachbarn können also verlangen, dass die Hofbesitzerin im Stall keine Pferde mehr hält. In dieser Hinsicht stellte der BGH die Entscheidung des LG wieder her.

Trotzdem ist der Streit damit noch nicht ganz zu Ende, denn die Klage richtete sich auch gegen eine Reitschule, deren Geschäftsführerin ebenfalls die Inhaberin des Pferdehofs ist. Welche Pferde in dem Stall nun formal der Reitschule und welche dem Pferdehof gehören, hatten die Nachbarn nicht herausfinden können. Die Frage ist aber von Bedeutung, weil die Reitschule mit dem Bau des Stalls nichts zu tun hatte.

Das OLG muss nun noch klären, ob auch Pferde der Reitschule in dem Stall standen. Für die Reitschule würde das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme nämlich keine Rolle spielen, wie Stresemann erläuterte. Trotzdem müsste auch sie die Lärmgrenzwerte einhalten - und wenn das nicht möglich sein sollte, ihre Tiere woanders unterbringen. Denn die Reitschule treffe eine sekundäre Darlegungslast, der sie bisher nicht gerecht geworden sei. Die klagenden Nachbarn könnten nämlich anhand der äußeren Abläufe und des Aussehens der Pferde praktisch nicht beweisen, ob ein Tier nun dem Hof bzw. der Reitschule gehört.

dpa/acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH klärt Nachbarschaftsstreit: . In: Legal Tribune Online, 27.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43571 (abgerufen am: 13.10.2024 )

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