2/2: BGH: Gefährlichkeit für Allgemeinheit erfordert keine pathologische Ursache
Eine weitere Kernfrage betraf die Voraussetzung, unter der die Sicherungsverwahrung hätte verhängt werden können. In Betracht zog das LG die Vorschrift des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Dieser ordnet die Verhängung an, wenn der Täter infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist. Das LG war dabei allerdings davon ausgegangen, dass hierfür eine pathologische Ursache vorliegen müsse.
Dem trat der 5. Senat nun entgegen. Es brauche gerade keinen "symptomatischen Zusammenhang zwischen einer bei dem Angeklagten vorliegenden Persönlichkeitsstörung und den von ihm begangenen Straftaten".
Eine Entscheidung sei dann anhand einer Gesamtwürdigung der Umstände zu finden, erläuterte Weinland: "Hier hat der Verurteilte innerhalb kurzer Zeit zwei schwere Straftaten begangen. Diese sind zudem minutiös geplant worden". Überdies sei auch das Nachtatverhalten in die Würdigung mit einzubeziehen. Ob aber tatsächlich ausreichend Gründe für die Annahme der Gefährlichkeit für die Allgemeinheit gegeben sind, muss nun das LG prüfen. Der BGH hat die Sache zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Intensivere Überwachung möglich
Der zweite Fall betraf einen Mann, der sein 18-jähriges Opfer mit Tötungsvorsatz von einer Staudammmauer gestoßen hatte, nachdem dieses ihn wegen jahrelangen sexuellen Missbrauchs angezeigt hatte. Er hatte versucht, einen Selbstmord des Opfers vorzutäuschen und wollte so die gegen ihn laufenden Ermittlungen beenden. Hierfür wurde er unter anderem wegen versuchten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Auch hier wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
Mit seiner Revision machte der Angeklagte vor dem BGH geltend, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung durch das LG Köln (Az. 111 Ks 6/15 – 90 Js 56/14) sei neben der lebenslangen Freiheitsstrafe unverhältnismäßig.
Der 2. Strafsenat folgte dieser Ansicht nicht und bestätigte damit das Urteil des LG. Zwar werde es regelmäßig nicht zum anschließenden Vollzug der Sicherungsverwahrung kommen, da die lebenslange Freiheitsstrafe vollstreckt werde, solange der Verurteilte gefährlich sei. Im Falle der Aussetzung der weiteren Strafhaft trete aber bei gleichzeitiger Anordnung der Sicherungsverwahrung zusätzlich Führungsaufsicht ein.
Gegenüber der Bewährungsüberwachung ermögliche diese eine intensivere und ggf. längere Überwachung des dann in Freiheit befindlichen Verurteilten. Da die Strafkammer eine solche intensivere Überwachung für erforderlich gehalten habe, sei die Anordnung ermessensfehlerfrei und im Hinblick auf die Gefährlichkeit des Angeklagten verhältnismäßig, so der Senat.
Maximilian Amos, BGH präzisiert Anforderungen: Entscheidungsdoppelpack zur Sicherungsverwahrung . In: Legal Tribune Online, 29.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23313/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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