Im Streit um das Patent auf ein Aids-Medikament hat der BGH entschieden, dass die klagenden US-Pharmakonzerne den Wirkstoff in Deutschland vertreiben dürfen: Die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung müsse gewährleistet werden.
Mehrere Unternehmen der US-Pharmakonzerngruppe Merck & Co (MSD) dürfen ihr Aids-Medikament Isentress vorläufig auf dem deutschen Markt vertreiben. Dies entschied am Dienstag der für das Patentrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) (Urt. v. 11.07.2017, Az. X ZB 2/17).
Die vom Bundespatentgericht (BPatG) erteilte Zwangslizenz für den Vertrieb bleibt damit in Kraft. Dieses hatte im September vergangenen Jahres im Wege der einstweiligen Verfügung entschieden, dass zugunsten der Gesundheitsversorgung im Land das Medikament von den amerikanischen Firmen verkauft werden dürfe, obwohl ein japanischer Konzern das Patent für den Wirkstoff in Europa angemeldet hatte.
Grundlage der Entscheidung war § 24 Abs. 1 Patentgesetz (PatG), nach dem durch ein Patentgericht eine Zwangslizenz zum Vertrieb einer Erfindung erteilt werden kann, wenn der Lizenzsucher sich innerhalb eines angemessenen Zeitraumes erfolglos bemüht hat, vom Patentinhaber die Zustimmung zur Nutzung zu erhalten und das öffentliche Interesse die Erteilung gebietet.
Die Klage auf Erteilung der Zwangslizenz ist im Hauptsacheverfahren noch nicht entschieden.
BGH: Patienten benötigen Wirkstoff
Der BGH bestätigte die vorläufige Erteilung der Zwangslizenz durch das BPatG nun. Die Bemühungen der Antragstellerinnen, die Zustimmung zur Nutzung der Erfindung zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen zu erlangen, seien unter den Umständen des Einzelfalls ausreichend gewesen.
Zudem bejahten die Karlsruher Richter auch das öffentliche Interesse an der Erteilung der Zwangslizenz. Zwar sei nicht jeder HIV- oder AIDS-Patient darauf angewiesen, jederzeit mit dem Wirkstoff behandelt werden zu können. Es gebe aber Patientengruppen, bei denen dies der Fall sei, wie Säuglinge, Kinder, Schwangere und Patienten, die bereits mit Isentress behandelt würden und denen bei einer Umstellung auf ein anderes Medikament erhebliche Neben- und Wechselwirkungen drohten.
Vor diesem Hintergrund, so der BGH, müsse der Vertrieb den amerikanischen Unternehmen weiterhin vorläufig gestattet werden.
mam/LTO-Redaktion
BGH zu Patentstreit: . In: Legal Tribune Online, 11.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23432 (abgerufen am: 03.10.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag