BGH stärkt Energieversorger: Gas­p­reise durften ohne umfas­sende Begrün­dung erhöht werden

28.10.2015

Der BGH hat die Rechte von Energieversorgern gestärkt. Sie durften die Preise für Gas in der Vergangenheit auch ohne umfassende Begründung erhöhen - sofern sie nur ihre gestiegenen Kosten an die Kunden weitergaben.

In zwei Fällen gaben die Richter des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) am Mittwoch den Stadtwerken Hamm und Geldern (beide Nordrhein-Westfalen) Recht. Diese hatten Nachzahlungen von Kunden verlangt, die Preiserhöhungen der Unternehmen zwischen 2004 und 2008 beanstandet und daraufhin nicht gezahlt hatten. Bei den Kunden handelt es sich um Tarifkunden in der Grundversorgung, die mit dem örtlichen Versorger einen Standardvertrag abgeschlossen hatten und nur einen geringen Verbrauch aufweisen.

Sie müssen die erhöhten Preise jedoch bezahlen, urteilten die Karlsruher Richter heute unter ausdrücklicher Aufgabe ihrer bisherigen Rechtsprechung. Grund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). Dieser hatte das seit 2004 geltende deutsche Recht für europarechtswidrig erklärt und gefordert, dass Verbraucher besser über Preissteigerungen bei der Strom- und Gasversorgung informiert werden. Ende 2014 zog der deutsche Gesetzgeber daraufhin nach und passte die Bestimmungen entsprechend an.

Durch die EuGH-Entscheidung fiel die Rechtsgrundlage für Preiserhöhungen nachträglich weg. Dennoch seien die Unternehmen zur Preiserhöhung berechtigt gewesen, so der BGH. Durch den Wegfall der Rechtsgrundlage habe sich nämlich eine Vertragslücke ergeben, da die Parteien bei Vertragsschluss von einem gesetzlich festgelegten einseitigen Preisänderungsrecht zugunsten der Energieversorger ausgegangen seien. Da eine europarechtskonforme Auslegung der vom EuGH als rechtswidrig eingestuften Gesetzeslage nicht möglich sei, müsse der Versorgungsvertrag ergänzend ausgelegt werden.

Wäre Ihnen dies alles bewusst gewesen, hätten die Parteien als redliche Vertragspartner vereinbart, dass die Gasversorgungsunternehmen berechtigt sind, Steigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten, an die Tarifkunden weiterzugeben. Denn als Grundversorger seien sie zur Energielieferung gesetzlich verpflichtet. Dürften sie im Laufe der oft langjährigen Lieferverträge noch nicht einmal eigene Kostenerhöhungen weiter geben, wären sie "verpflichtet zu liefern bis zur eigenen Pleite", so die BGH-Senatsvorsitzende Karin Milger. Das sei auch nicht im Sinne der Kunden, "denn dann ist irgendwann niemand mehr da, der liefert".

Der BGH billigte unzufriedenen Tarifkunden allerdings ein Widerspruchsrecht gegen die vergangenen Preiserhöhungen zu. Sie könnten innerhalb von drei Jahren nicht vorab begründete Preiserhöhungen monieren – auch rückwirkend (Urt. v. 28.10.2015, Az. VIII ZR 158/11 u.a.).

dpa/mbr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH stärkt Energieversorger: Gaspreise durften ohne umfassende Begründung erhöht werden . In: Legal Tribune Online, 28.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17358/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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