BGH zum Missbrauch des Mahnverfahrens: Teure Trickserei im Mahnverfahren

Falsche Angaben im Mahnverfahren können teuer werden. Der BGH entschied am Dienstag, dass der tricksende Antragsteller sich nicht auf die Verjährungshemmung berufen kann – auch nicht insoweit, wie er es bei wahrheitsgemäßen Angaben gekonnt hätte.

Das Mahnverfahren ist ein vereinfachtes Verfahren der Zivilgerichte, mit welchem der Gläubiger einen Vollstreckungstitel gegen den Schuldner erwirken kann, sofern letzterer nicht widerspricht. Der Gläubiger muss hierzu einen Mahnantrag stellen, der bei Gericht wohlgemerkt nur anhand gewisser formaler Kriterien durch den Rechtspfleger geprüft wird, nicht aber materiell-rechtlich durch den Richter. Insbesondere wird nicht nachgeprüft, ob die im Mahnantrag gemachten Angaben auch den Tatsachen entsprechen.

Dem Fall vor dem BGH lag ein Wohnungskauf aus 1992 zu Grunde. Spätestens 2005 erfuhr der spätere Kläger, dass ihm gegen die Beklagte Ansprüche aus der Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht zustanden. Gemäß der allgemeinen Regeln (§§ 195, 199 Bürgerliches Gesetzbuch) wäre dieser Anspruch Ende 2008 verjährt. Denkbar knapp, nämlich am 30. Dezember 2008, ließ der Käufer der Wohnung jedoch durch seinen Anwalt den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides stellen, was gemäß §§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, 167 ZPO die Verjährung hemmt.*

Keine Berufung auf Verjährungshemmung bei unwahren Angaben

Mit dem Mahnbescheid, und im darauffolgenden Gerichtsverfahren, verlangte der Käufer vom Verkäufer "großen" Schadensersatz, also jene Form des Schadensersatzes, bei der die mangelhafte Kaufsache zurückgegeben und Ersatz für die Nichterfüllung des ganzen Vertrages geschuldet wird. Dieser große Schadensersatz ist naturgemäß nur Zug-um-Zug möglich, in diesem Fall gegen Rückübereignung der Wohnung. Das Mahnverfahren hingegen ist bei wechselseitigen Ansprüchen nur dann möglich, wenn derjenige, der den Mahnbescheid beantragt, die von ihm geschuldete Leistung schon erbracht hat, § 690 Abs. 1 Nr. 4 Zivilprozessordnung.

Genau dies hatte der Anwalt des Käufers im Antrag vom 30. Dezember 2008 auch – bewusst wahrheitswidrig – angegeben. Im folgenden Prozess berief der Verkäufer sich jedoch auf Verjährung, und bekam darin nun vom BGH im Ergebnis Recht: Zwar werde die Verjährung in einer Konstellation wie dieser durch die Beantragung des Mahnbescheides gehemmt. Dem Käufer sei es jedoch nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Hemmung der Verjährung auch zu berufen, wenn er den Mahnbescheid mit bewusst wahrheitswidrigen Angaben erwirkt habe.

Erstreckung auch auf den kleinen Schadensersatz

Besonders schmerzlich für den Käufer ist, dass der BGH diesen Gedanken im Regelfall auch auf den "kleinen" Schadensersatz erstreckt, bei dem der Käufer die Kaufsache behält und lediglich die Wertdifferenz zu einer mangelfreien Sache vom Verkäufer fordert. Da hierfür keine Gegenleistung des Käufers erforderlich ist, hätte der Käufer zumindest den Anspruch auf kleinen Schadensersatz in seinem Antrag auf den Erlass eines Mahnbescheides geltend machen können.

Die Wendungen "grundsätzlich" und "im Regelfall" in der Pressemitteilung des BGH lassen wohl erahnen, dass es zu den hier geschilderten Grundsätzen möglicherweise Ausnahmen wird geben können; diese werden aber erst mit Veröffentlichung des Urteils im Volltext offenbar werden (Urt. v. 23.06.2015, Az. XI ZR 536/14).

* Anm. d. Red.: Hier stand zunächst unzutreffend, dass die Erstreckung auf den Antragszeitpunkt nicht gesetzlich geregelt sei. Tatsächlich ist dies in § 167 ZPO der Fall. Geändert am 24.06.2015, 8:30

Zitiervorschlag

Constantin Baron van Lijnden, BGH zum Missbrauch des Mahnverfahrens: . In: Legal Tribune Online, 23.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15967 (abgerufen am: 03.10.2024 )

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