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BGH verbietet Vertrieb von Energiesparlampen: Mehr Kla­ge­be­fugnis für Ver­brau­cher­ver­bände?

22.09.2016

Energiesparleuchten

© Björn Wylezich - Fotolia.com

Das Quecksilber in Energiesparlampen kann für Verbraucher gefährlich werden. Die Hersteller müssen sich an Grenzwerte* halten - und dafür darf per Verbandsklagerecht auch ein Umweltverband sorgen, entschied der BGH am Mittwoch.

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Für Energiesparlampen, die zu viel giftiges Quecksilber enthalten, wird es auf dem deutschen Markt keine Nachsicht geben. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte am Mittwoch in letzter Instanz ein Vertriebsverbot für Lampen eines niedersächsischen Herstellers, die in Tests Grenzwerte deutlich überschritten hatten (Urt. v. 21.09.2016, Az. I ZR 234/15).

Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen einen niedersächsischen Hersteller. Dessen Lampen hatten in Tests Grenzwerte deutlich überschritten, weshalb die DUH die Unterlassung des Vertriebs solcher Lampen begehrte. Für Verbraucher kann das giftige Schwermetall im Haushalt nur zur Gefahr werden, wenn die Lampe zerbricht. Das Risiko ist umso geringer, je weniger Quecksilber in der Lampe steckt.

Der BGH bestätigte nicht nur, dass der Hersteller mit Überschreiten der Grenzwerte gegen gesetzliche Regelungen verstoßen habe, sondern billigte dem Verband auch ein Klagerecht zu. Die DUH kündigte in der Folge an, bei Verstößen auch gegen andere Hersteller vorzugehen. Aus Sicht des Verbandes stärkt das Urteil insgesamt die Möglichkeiten der Verbraucherschutzverbände, beim Gesundheitsschutz direkt gegen Unternehmen zu klagen. Eine BGH-Sprecherin dagegen wollte das Urteil nicht so grundsätzlich verstanden wissen.

Mehr Klagerechte für Verbände?

Der EU-weite Grenzwert liegt seit 2013 bei 2,5 Milligramm pro Lampe. Die Deutsche Umwelthilfe hatte im Jahr 2012, als noch ein Grenzwert von 5 Milligramm galt, in zwei getesteten Lampen einmal 13 und einmal 7,8 Milligramm Quecksilber entdeckt. Der Hersteller vertrat die Ansicht, dass einzelne Ausreißer nach oben nicht zählten und man den Durchschnittswert aus je zehn Lampen betrachten müsse.

Dem schlossen sich die Karlsruher Richter nicht an. Sie sehen in den überschrittenen Grenzwerten einen klaren Verstoß gegen die gesetzlichen Regeln. Die Beklagte habe gegen das Verbot nach § 5 Abs. 1 S. 1 ElektroG aF verstoßen. Zudem genügten die Lampen auch nicht den Anforderungen, die aufgrund der jetzt gültigen Regelung in der Elektro- und Elektronikgeräte-Stoff-Verordnung maßgeblich sind. Nach Ansicht der Richter liegt bei einer Überschreitung der Grenzwerte des Quecksilbergehalts auch kein Bagatellverstoß vor, der einem Unterlassungsanspruch entgegenstünde.

Geltend machen dürfen den Umwelt- und Verbraucherschutzverbände nur in ganz bestimmten Fällen. Der BGH schloss sich aber der Argumentation der DUH an, der Vertrieb durch das beklagte Unternehmen sei wettbewerbswidrig, weil der Absatz von Produkten, die die vorgeschriebenen Grenzwerte überschritten, zum Schutz der Verbraucher vor gesundheitsschädlichen Stoffen untersagt sei. Auch der u.a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat stufte die einschlägigen Vorschriften als wettbewerbsrechtliche Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 4 Nr. 11 des Gesetzes über den Unlauteren Wettbewerb (UWG) ein. Bei den Energiesparlampen gehe es nicht nur um die fachgerechte Entsorgung, sondern auch um Gesundheitsgefahren.

Die Deutsche Umwelthilfe sieht durch das Urteil ihre Klagerechte gestärkt. Ihr Rechtsanwalt Remo Klinger sagte nach der Verkündung, der BGH habe zum ersten Mal in einem Grenzfall positiv entschieden, dass der Verband klagen darf. Es gebe verschiedene andere Verfahren, in denen sich das aus seiner Sicht positiv auswirken dürfte - etwa zu Grenzwerten bei Kettensägen und anderen mobilen Maschinen. Erst die Gründe der Entscheidung dürften zeigen, ob und inwieweit diese Annahme über Fälle der Gesundheitsgefährdung hinaus trägt.

dpa/pl/Nas, LTO-Redaktion

* Redaktioneller Fehler korrigiert am 26.09.2016, 11:29h

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BGH verbietet Vertrieb von Energiesparlampen: Mehr Klagebefugnis für Verbraucherverbände? . In: Legal Tribune Online, 22.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20657/ (abgerufen am: 07.02.2023 )

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