Der BGH hat sich am Donnerstag mit der Frage beschäftigt, ob ein Reisebüro, das einzelne Reiseleistungen verschiedener Leistungserbringer zu einer individuell zugeschnittenen Reise zusammenstellt, stets als Reiseveranstalter anzusehen ist und damit in Anspruch genommen werden kann.
Hintergrund der Entscheidung war eine von der Klägerin gebuchte kombinierte Flug- und Schiffsreise mit zwei Hotelaufenthalten auf Jamaika, die das beklagte Reisebüro nach ihren Wünschen zusammengestellt hatte. Bei dieser Reise wurde auf dem Hinflug der Koffer nicht mitbefördert. Da die Klägerin ihn erst wieder nach Abschluss der Schiffsreise erhielt, verlangte sie von dem beklagten Reisebüro Minderung des Reisepreises, Schadensersatz wegen mangelbedingter Mehrkosten für die Reise sowie Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit.
Das AG Frankfurt a.M. hatte der Klage im Wesentlichen stattgegeben, vom LG Frankfurt wurde sie im Berufungsverfahren jedoch abgewiesen. Es sei lediglich ein Reisevermittlungsvertrag i.S. des § 675 BGB zustande gekommen. Das Reisebüro sei nicht als Reiseveranstalter Vertragspartner eines aus mehreren Reiseleistungen zusammengesetzten Reisevertrags geworden, weil es lediglich die Reiseleistungen anderer Anbieter für einen Vertragsschluss angeboten habe und hierbei erkennbar nur vermittelnd tätig geworden sei. Ein Reisevertrag gemäß § 651a Abs. 1 BGB liege nicht vor.
Der BGH (Bundesgerichtshof) hat das Urteil des LG Frankfurt nun bestätigt. Nach Auffassung der Richter gibt es weder einen Erfahrungssatz noch eine gesetzliche Auslegungsregel, wonach ein Reisebüro, das einzelne Reiseleistungen verschiedener Leistungserbringer zu einer individuellen, auf die Wünsche des Kunden zugeschnittenen Reise zusammenstellt, zwangsläufig als Reiseveranstalter anzusehen ist. Ein Reisebüro übernimmt in der Regel typischerweise lediglich die Tätigkeit eines Vermittlers von Reiseleistungen. Allein aus dem Angebot mehrerer zeitlich und örtlich aufeinander abgestimmter Reiseleistungen auf Wunsch des Kunden kann nicht geschlossen werden, dass das Reisebüro dem Kunden gegenüber wie ein Reiseveranstalter die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung der einzelnen Reiseleistungen übernimmt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Pauschalreise- Richtlinie (RL 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen). Art. 2 definiert dort sowohl den Begriff des Veranstalters als auch des Vermittlers von Pauschalreisen. Der EuGH hat in der Rechtssache Club-Tour gegen Garrido (Urt. v. 30.04.2002, Az. C-400/00) entschieden, dass der Begriff der Pauschalreise im Sinne der Richtlinie auch solche Reisen einschließt, die von einem Reisebüro auf Wunsch und nach den Vorgaben des Verbrauchers organisiert werden. Auch daraus ergibt sich nur, dass ein Reisebüro in diesen Konstellationen Reiseveranstalter sein kann, nicht aber, dass es unabhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls stets als solcher anzusehen ist.
In dem vom EuGH entschiedenen Fall war das vorlegende nationale Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Reisebüro dort als Reiseveranstalter aufgetreten war. Dem EuGH war lediglich die Frage vorgelegt worden, ob es sich um eine Pauschalreise im Sinne der Richtlinie handelte.
Auch für den BGH bestehe angesichts des eindeutigen Wortlauts der Pauschalreiserichtlinie keine Veranlassung, dem EuGH die Frage vorzulegen, ob ein Reisebüro im Einzelfall als bloßer Reisevermittler einzustufen sein kann.
(BGH, Urt. v. 30.09.2010, Az. Xa ZR 130/08)
BGH: . In: Legal Tribune Online, 01.10.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1610 (abgerufen am: 06.12.2024 )
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