Er hat eine Ehefrau und seine Lebensgefährtin getötet, muss aber nicht in Sicherungsverwahrung. Der 1. Strafsenat hat am Dienstag eine Entscheidung des LG Bayreuth bestätigt, das nach Anhörung von zwei Sachverständigen die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gegen den Straftatäter zurückgewiesen hatte: Führungsaufsicht reicht aus.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH) haben die Bayreuther Richter einen zutreffenden rechtlichen Maßstab angelegt. Nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts dürfe für Straftaten, die vor dem 31. Dezember 2010 begangen worden waren, nachträgliche Sicherungsverwahrung auf der Grundlage des für verfassungswidrig erklärten § 66b Abs. 2 StGB nur noch angeordnet werden, wenn die hochgradige Gefahr besteht, dass ein an einer psychischen Störung leidender Straftäter schwerste Gewaltdelikte begeht. Möglichkeiten der Führungsaufsicht seien auszuloten (Urt. v. 08.11.2011, Az. 1 StR 231/11).
Gegen den Verurteilten waren 1991 wegen Totschlags an seiner Ehefrau sieben Jahre Freiheitsstrafe und 1996 erneut wegen Totschlags – er hatte seine neue Lebenspartnerin, die sich von ihm trennen wollte, getötet – dreizehn Jahre Freiheitsstrafe verhängt worden.
Im Mai 2010 beantragte die Staatsanwaltschaft, gegen den Straftäter gemäß § 66b Abs. 2 StGB die nachträgliche Sicherungsverwahrung anzuordnen. Diesen Antrag hat das Landgericht (LG) zurückgewiesen, weil es nach Anhörung von zwei Sachverständigen das Vorliegen von deren Voraussetzungen verneint hat. Der Gefahr eines weiteren Gewaltdelikts könne im Rahmen von Maßnahmen der Führungsaufsicht (§ 68f StGB) begegnet werden.
Diese Ansicht teilt der 1. Strafsenat mit Urteil vom Dienstag.
tko/LTO-Redaktion
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BGH: . In: Legal Tribune Online, 08.11.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4752 (abgerufen am: 19.03.2025 )
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