BGH: Karls­ruher Richter vern­einen Anrech­nung von Bestand­s­pro­vi­sionen

16.11.2011

Der XI. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass sich ein Kapitalanleger im Falle der Insolvenz eines Wertpapierhandelsunternehmens von der Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen keine Provisionsansprüche des entsprechenden Unternehmens entgegenhalten lassen muss, wenn dieses die Ansprüche verwirkt hat. Dies geht aus einem am Mittwoch bekannt gewordenen Urteil hervor. 

In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Klägerin die beklagte Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen auf Entschädigung nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG) in Anspruch genommen.

Sie hatte sich im April 1998 und Februar 2002 mit einem Anlagebetrag von insgesamt 27.295,41 Euro einschließlich Agio an dem Phoenix Managed Account beteiligt, einer von der Phoenix Kapitaldienst GmbH im eigenen Namen und für gemeinsame Rechnung von insgesamt ca. 30.000 Anlegern verwalteten Kollektivanlage.

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Phoenix Kapitaldienst GmbH sahen unter anderem vor, dass ihr eine Verwaltungsgebühr von 0,5 Prozent pro Monat von dem jeweiligen Vermögensstand des Phoenix Managed Account als Bestandsprovision zustehen sollte. Spätestens seit 1998 legte die Phoenix Kapitaldienst GmbH jedoch nur noch einen geringen Teil der von ihren Kunden vereinnahmten Geldern vertragsgemäß in Termingeschäften an.

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen untersagt Geschäftsbetrieb

Ein Großteil der Gelder wurde im Wege eines "Schneeballsystems" für Zahlungen an Altanleger und für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten verwendet. Im März 2005 untersagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen der Phoenix Kapitaldienst GmbH den weiteren Geschäftsbetrieb und stellte am 15. März 2005 den Entschädigungsfall fest.

Am 1. Juli 2005 wurde über das Vermögen der Phoenix Kapitaldienst GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Auf den von der Entschädigungseinrichtung - nach Abzug von Agio, Handelsverlust und Bestandsprovisionen - errechneten "Endstand der Beteiligung" der Klägerin von 21.618,45 Euro leistete sie im Jahr 2009 eine Teilentschädigung von 12.732,75 Euro und behielt den Restbetrag wegen möglicher Aussonderungsrechte der Klägerin an den auf den (Treuhand-)Konten noch vorhandenen Geldern ein.

Mit der Klage hat die Klägerin von der Beklagten nach Abzug des gesetzlichen Selbstbehalts von 10 Prozent eine restliche Entschädigungsleistung von 6.723,86 Euro verlangt.

Das Landgericht (LG) hatte der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht der Klägerin den Zahlungsanspruch nur in Höhe von 3.384,17 Euro, d.h. in Höhe von 90 Pozent der abgezogenen Bestandsprovisionen, zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Nachdem die Beklagte aufgrund eines Schreibens vom 18. Juli 2011 der Klägerin eine weitere Teilentschädigung von 6.723,86 Euro gezahlt hat, hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Da sich die Beklagte der Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat, kam es weiterhin darauf an, ob die Klage ursprünglich begründet war.

BGH: Bestandsprovisonen sind eigenständige Ansprüche

Der Bundesgerichtshof (BGH) wies nun die Revision der Beklagten zurück; auf die Anschlussrevision der Klägerin stellten die Karlsruher Richter unter Aufhebung des Berufungsurteils und Abänderung des landgerichtlichen Urteils fest, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist (Urt. v. 25.10.2011, Az. XI ZR 67/11).

Dabei bestätigte der BGH die Auffassung des Kammergerichts, nach der sich die Klägerin die vertraglich vereinbarten Bestandsprovisionen nicht anrechnen lassen muss. Dabei handelt es sich nämlich um eigenständige Ansprüche des Wertpapierhandelsunternehmens, die nicht bereits bei der Feststellung der Höhe und des Umfangs der Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 des EAEG zu berücksichtigen sind, sondern dem Anleger nur nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EAEG im Wege der Aufrechnung entgegengehalten werden können. Dies ist vorliegend jedoch ausgeschlossen, weil die Phoenix Kapitaldienst GmbH aufgrund ihres grob vertragswidrigen Verhaltens ihren Provisionsanspruch nach dem Rechtsgedanken des § 654 BGB verwirkt hat. Demgegenüber hatte die Anschlussrevision der Klägerin mit dem geänderten Antrag in vollem Umfang Erfolg.

In Anknüpfung an die Urteile vom 20. September 2011 (XI ZR 434/10, XI ZR 435/10 und XI ZR 436/10) hat der BGH den von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsanspruch dem Grunde und der Höhe nach als begründet, insbesondere auch als fällig angesehen.

age/LTO-Redaktion

 

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Zitiervorschlag

BGH: . In: Legal Tribune Online, 16.11.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4810 (abgerufen am: 08.10.2024 )

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