Das Ursprungsland ist jenes, wo geerntet wird. Aber gilt das auch für Champignons, die im Ausland produziert und erst kurz vor der Ernte nach Deutschland gebracht werden? Der BGH hat sich dem EuGH angeschlossen und entschieden: ja.
Im Streit um die Herkunftsbezeichnung von Kulturchampignons hat der Bundesgerichthof (BGH) entschieden, dass das anzugebende Ursprungsland von in Deutschland geernteten Kulturchampignons Deutschland ist. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass wesentliche Produktionsschritte im EU-Ausland erfolgen und die Kulturchampignons erst kurz vor der Ernte nach Deutschland gebracht werden, wie aus einem kürzlich veröffentlichten Urteil hervorgeht (Urt. v. 16.01.2020, Az. I ZR 74/16).
Der Streit um die Herkunft der Pilze beschäftigt die Justiz schon seit einigen Jahren. Ein Produzent von Champignons züchtet in den Niederlanden Pilze in sogenannten Kulturkisten. Kurz vor der Ernte transportiert er sie über die deutsche Grenze. Auf der Supermarkt-Verpackung findet sich die Aufschrift "Ursprungsland: Deutschland". Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e.V. (Wettbewerbszentrale) beanstandete die Etikettierung als irreführend, da wesentlichen Produktionsschritte außerhalb Deutschlands erfolgten.
Auf die Ernte kommt es an
Die Klage der Wettbewerbszentrale auf Unterlassung blieb in allen Instanzen erfolglos. Das mit der Berufung beschäftigte Oberlandesgericht Stuttgart ging zwar von einer Irreführung aus. Da das Unionsrecht bei pflanzlichen Erzeugnissen das Ernteland als Ursprungsland vorsehe, sei die Irreführung aber unionsrechtlich angeordnet und könne dem beklagten Pilzhersteller lauterkeitsrechtlich nicht zur Last gelegt werden.
Auch der Europäische Gerichtshof betonte auf die Vorlage des BGH hin, dass es nicht darauf ankomme, ob das Gemüse erst drei, zwei oder auch nur einen Tag vor der Ernte nach Deutschland verbracht werde. Solange die Ernte innerhalb der Grenzen Deutschlands erfolge, sei dieses auch als "Ursprungsland" zu qualifizieren.
Dieser Auffassung schloss sich der BGH nun ebenfalls an und wies die Revision der Wettbewerbszentrale ab. Die unionsrechtlichen Kennzeichnungsvorschriften seien dahin auszulegen, dass das Ursprungsland von Kulturchampignons das Ernteland sei, auch wenn die Produktion im Wesentlichen im Ausland stattfinde. Da die Herkunftsangabe "Deutschland" somit den Vorschriften entspreche, scheide die Annahme eines Verstoßes gegen das irreführungsverbot aus, so der BGH.
Aufklärende Zusätze, um einer etwaigen Irreführung entgegenzuwirken, dürfen laut BGH ebenfalls nicht verlangt werden. Ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) kommt laut BGH nicht in Betracht, wenn das gekennzechnete Produkt den gesetzlichen Kriterien entspricht. "In einem solchen Fall genießt das Kennzeichnungsrecht Normvorrang und ist eine unlautere Irreführung auch dann nicht anzunehmen, wenn relevante Teile des Verkehrs die verwendete Bezeichnung falsch verstehen", heißt es im Urteil.
acr/LTO-Redaktion
BGH zu Kulturchampignons "made in Germany": . In: Legal Tribune Online, 09.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40717 (abgerufen am: 05.10.2024 )
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