Die Kundenaquise für Versandapotheken dürfte nach einer Entscheidung des BGH künftig komplizierter werden. Denn eine Prämie für die Werbung von Neukunden dürfen sie nicht so einfach versprechen, so die Karlsruher Richter.
Das Geschäft mit Medikamenten ist spätestens seit Aufkommen der Online-Versandapotheken in ganz Europa hart umkämpft. Aber nicht nur die lokalen Apotheken müssen um ihre Kunden kämpfen, auch die Versandhäuser buhlen gerne mit Werbeaktionen um die Gunst der Käufer. Dabei gibt es allerdings für die neue Konkurrenz, die zum Teil aus dem Ausland operiert, einige Hürden, die immer wieder von Gerichten abgesteckt werden müssen, wie z. B. die Apothekenpflicht oder die deutsche Preisbindung für Medikamente.
Letztere spielte kürzlich erneut vor dem Bundesgerichtshof (BGH) eine Rolle, wo sich in letzter Instanz die Berufsvertretung der Apotheker im Bezirk Nordrhein mit einer Versandapotheke stritt. Letztere hatte ihren Kunden auf ihrer Website eine Prämie in Höhe von zehn Euro für jeden Neukunden versprochen, den sie anwerben sollten. Damit hat sie gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) verstoßen, stellten die Karlsruher Richter in ihrem nun veröffentlichten Urteil fest (Urt. v. 29.11.2018, Az. I ZR 237/16).
Apotheken ist es nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) HWG zwar grundsätzlich gestattet, ihren Kunden Prämien zu zahlen - allerdings nicht, wenn sie damit die Preisbindung für Medikamente unterlaufen. Problematisch war in diesem Fall nun, dass die Prämie dann gezahlt wurde, wenn der Neukunde ein Produkt bei der Apotheke bestellte - und zwar unabhängig davon, ob dies der Preisbindung für Arzneimittel unterlag.
Die Apotheker-Vertretung sah sich durch diese Werbemaßnahme im Wettbewerb benachteiligt und ging dagegen vor. Nachdem sie die Versandapotheke zunächst erfolglos abgemahnt hatten, zogen die Pharmazeuten mit einem Unterlassungsantrag vor Gericht und verlangten zudem die Erstattung der Abmahnkosten. Damit hatten Sie vor dem Landgericht in weiten Teilen Erfolg, das Oberlandesgericht bestätigte ihren Anspruch in der Berufung schließlich gar in vollem Umfang.
Medikamenten-Preisbindung darf nicht umgangen werden
Nun änderte der BGH das Urteil zwar dahingehend ab, dass kein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten entstehe. Er bestätigte aber den Unterlassungsanspruch wegen eines Wettbewerbsverstoßes. Nach der Einschränkung im HWG i. V. m. dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) habe die Versandapotheke wettbewerbswidrig gehandelt, indem sie dem Anwerber für den Kauf durch den Kunden eine Prämie versprochen habe.
§ 7 Abs. 1 HWG untersagt es Apothekern, "Zuwendungen und sonstige Werbegaben" anzubieten, es sei denn es handelt sich um einen von vornerherein bestimmten Geldbetrag. Die Regelung soll Verbraucher davor schützen, durch übermäßige Reklame bei der Kaufentscheidung für möglicherweise wichtige Heilmittel beeinflusst zu werden.
Die Ausnahme für konkrete Geldbeträge, die hier zuträfe, gilt allerdings auch nur, sofern die Medikamenten-Preisbindung nicht verletzt wird. Genau das sei hier aber der Fall, argumentierte die klagende Berufsträgervertretung. So sah es auch der I. Zivilsenat in Karlsruhe: Zwar werde nicht unmittelbar der Preis eines Medikaments reduziert. Dem stehe es aber gleich, wenn dem Kunden gekoppelt an den Erwerb bestimmte wirtschaftliche Vorteile gewährt würden. Anders gesagt: Ein Unterlaufen der Preisbindung "durch die Hintertür" ist ebenso verboten.
Dass hier nicht der kaufende Kunde selbst die Vergünstigung erhielt, ließ die Richter nicht anders entscheiden. Der Vorteil bestehe nämlich darin, "dass der neue Kunde dem Werbenden durch den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels die ausgelobte Werbeprämie verschafft". Dies lasse den Kauf für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen als bei einem Konkurrenten, so die Meinung des Senats.
Begriff der "Werbung für Arzneimittel" weitreichend
Die Versandapotheke hatte in der Revision geltend gemacht, das Werbeverbot gelte nur für Einzelprodukte, nicht aber für das ganze Sortiment, so wie in ihrem Fall. Dem folgte der BGH nicht und argumentierte mit dem Zweck der HWG-Vorschrift und der EU-Richtlinie 2001/83/EG, nach der "alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern" als "Werbung für Arzneimittel" gälten, so also auch hier.
Ebenso begründe der Umstand, dass ausländische Versandapotheken nicht der Preisbindung unterlägen, keine relevante Ungleichbehandlung i. S. v. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, wie der BGH formulierte. Zwar würden Apotheker aus anderen EU-Mitgliedsstaaten anders behandelt als deutsche Konkurrenten. Allerdings habe der Gesetzgeber für rein nationale Sachverhalte einen weiteren Spielraum und ausländische Unternehmen seien aufgrund ihres schwierigeren Marktzugangs stärker von einer Preisbindung betroffen als inländische. Auch der Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit durch die Preisbindung sei durch den Zweck des HWG ausreichend gerechtfertigt.
BGH zur Werbung einer Online-Apotheke: . In: Legal Tribune Online, 08.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33059 (abgerufen am: 07.10.2024 )
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