BGH zum Abschluss eines Anwaltsvertrages: Kein Geld, kein Mandat

19.06.2019

Wenn abgemacht ist, dass erst die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung eingeholt werden soll, braucht der Anwalt noch nicht mit der Arbeit beginnen. Tut er es doch, gibt es jedenfalls kein Geld, sagt der BGH.

Gerichtsprozesse sind teuer, das weiß vermutlich jeder, der schon einmal einen solchen geführt hat. Rechtsschutzversicherungen können da unter Umständen Abhilfe schaffen - sofern sie denn im Ernstfall auch zahlen. Genau hier setzte auch ein Fall an, den der Bundesgerichtshof (BGH) bereits im Februar entschieden hat. Das Urteil ist nun öffentlich (Urt. v. 14.02.2019, Az. IX ZR 203/18). Dabei stand in Rede, ob ein Anwaltsvertrag zustandekommt, wenn schon vor Einholung der Deckungszusage eine Vollmacht des Mandanten erteilt wird. Der BGH legte hier strenge Maßstäbe an.

In dem Fall wollte ein Mann zunächst gegen ein Unternehmen vorgehen, an dem er sich als stiller Gesellschafter mit Einlagen von mehr als 20.000 Euro beteiligt hatte, bevor es Insolvenz anmeldete. Er verklagte die Gesellschaft, wofür seine Rechtsschutzversicherung auch die Übernahme der Prozesskosten zusagte.

Die daraufhin mandatierte Kanzlei wandte sich kurz darauf an ihren neuen Mandanten mit dem Hinweis, dass es sich lohnen könne, gerichtlich auch gegen die Wirtschaftsprüfungs- und  Beratungsgesellschaften des bereits beklagten Unternehmens vorzugehen. In dem Schreiben hieß es wörtlich: "Nach Einholung der entsprechenden Deckungszusage Ihrer Rechtsschutzversicherung werden wir Ihre Ansprüche gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wegen Beihilfe zum Betrug geltend machen. Die Stellung der Deckungsanfrage erfolgt wie bisher durch unsere Kanzlei. Sollten sich bei der Einholung von Kostenschutz Probleme ergeben, werden wir Rücksprache mit Ihnen nehmen." Aufgrund drohender Verjährung sei Schnelligkeit geboten und man bitte darum, die beigefügte Vollmacht unterschrieben zurückzusenden.

Der Mandant tat wie ihm geheißen und unterschrieb die Vollmacht. Kurz darauf teilten die Anwälte dem Mann mit, dass es Probleme mit der Rechtsschutzversicherung gebe, die zu Unrecht die Deckungszusage verweigere, woraufhin er nicht reagierte. In der Folge leitete die Kanzlei dennoch mehrere hundert Güteverfahren ein, an denen sich die Wirtschaftsprüfer, die man zuvor nicht angeschrieben hatte, aber weigerten, zu beteiligen. Schließlich versagte die Versicherung auch die Übernahme der Kosten für eine Klage. Der Mandant verlangte daraufhin, das Vorgehen gegen die Wirtschaftsprüfer möglichst kostengünstig zu beenden, was die Kanzlei auch tat. Für ihre Tätigkeit im Rahmen des Güteverfahrens stellte sie ihm dann insgesamt 1.633,87 Euro in Rechnung, deren Bezahlung er verweigerte.

BGH: Ohne Deckungszusage kein Vertrag

Die Anwälte klagten und scheiterten zunächst vor dem Amtsgericht, bevor das Landgericht den Mann schließlich zur Zahlung von 1.348,27 Euro nebst Zinsen verurteilte. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und stellte fest: Ein Anwaltsvertrag, aus dem sich der Honoraranspruch der Kanzlei ergeben könnte, sei gar nicht geschlossen worden. Dazu griff der IX. Zivilsenat auf das kleine Einmaleins des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zurück: Für einen Vertrag braucht es zwei übereinstimmmende Willenserklärungen der Beteiligten, die darauf schließen lassen, dass sie sich rechtlich binden wollen. Daran fehle es hier aber, so der Senat.

Das Berufungsgericht habe bei seiner Würdigung der Geschehnisse den Grundsatz der interessengerechten Auslegung des Verhaltens der Parteien außer Acht gelassen, fanden die Karlsruher Richter. Die Kanzlei selbst habe mit ihrem Schreiben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie erst nach Einholung der Deckungszusage der Versicherung tätig werden wolle. Sollte es dabei Probleme geben, wolle man Rücksprache halten, hatte es in dem Schreiben geheißen. Der spätere Hinweis, dass es Probleme mit der Versicherung gebe, könne ebenfalls nicht als Vertragsangebot gewertet werden, denn es sei überhaupt nicht darum gegangen, eine Zustimmung zum weiteren Vorgehen einzuholen und die Möglichkeit eines Güteantrags sei nicht einmal erwähnt worden.

Und selbst, wenn man das ursprüngliche Schreiben mit der Bitte um Unterzeichnung der Vollmacht in Zusammenschau mit dem späteren Hinweis auf die Probleme mit der Deckungszusage als Angebot werten wolle, so der Senat, hätte es einer ausdrücklichen Annahme bedurft. Die Vorraussetzungen, unter denen auch Stillschweigen als Zustimmung zum Vertrag gedeutet werden kann, etwa wenn dies nach der Verkehrssitte üblich oder der Vertragsschluss für den Schweigenden lediglich rechtlich vorteilhaft ist, lägen hier nicht vor.

Somit könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Anwaltsvertrag zustande gekommen sei, befand der BGH und stellte das ursprüngliche Amtsgerichtsurteil wieder her, welches die Klage der Kanzlei abgewiesen hatte.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH zum Abschluss eines Anwaltsvertrages: Kein Geld, kein Mandat . In: Legal Tribune Online, 19.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35981/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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