Baden-Württemberg haftet nicht für finanzielle Ausfälle, die einem Berufsmusiker wegen coronabedingter Auftrittsverbote entstanden sind, so der BGH. Das Gericht folgt damit seiner bisherigen Linie: Keine Staatshaftung wegen Coronamaßnahmen.
Alle Versammlungen und Veranstaltungen sind veboten – das war im ersten coronabedingten Lockdown 2020 für Künstler auch ein finanzieller Albtraum. Der Musiker Martin Kilger hatte deshalb das Land Baden-Württemberg auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 8.326,48 Euro für ausgefallene Einnahmen wegen untersagter Veranstaltungen in diesem Zeitraum verklagt.
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshof (BGH) wies die Klage im Revisionsvefahren am Donnerstag jedoch ab (Urt. v. 03.08.23, Az. III ZR 54/22). Die Coronamaßnahmen seien rechtmäßig gewesen, deshalb fehle es an den Voraussetzungen für einen Anspruch aus Staatshaftungsrecht, so der Senat.
Das beklagte Bundesland hatte ab dem 17. März 2020 auf der Grundlage von § 32 i.V.m. § 28 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) sukzessive mehrere Verordnungen zur Bekämpfung des Coronavirus erlassen. Das zunächst generell geltende Veranstaltungsverbot war im Juni 2020 gelockert worden.
Kernstreitpunkt des Revisionsverfahrens war die Frage, ob es einen Entschädigungsanspruch nach dem richterrechtlichen Haftungsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs gibt. Ein solcher Eingriff hat zwei Voraussetzungen. Erstens muss der Staat rechtswidrig in eine durch Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Rechtsposition unmittelbar eingreifen. Zweitens muss dem Berechtigten dadurch ein besonderes, anderen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit auferlegt werden.
Frage nach dem "Sonderopfer" nicht relevant
Die Diskussion über ein solches "Sonderopfer", die Kilgers Anwälte angestoßen hatten, spielte vor Gericht dabei keine entscheidende Rolle. Dem BGH zufolge fehlt es nämlich bereits an der ersten Voraussetzung, also einem rechtswidrigen Eingriff in eine von Art. 14 Abs.1 GG geschützte Rechtsposition.
Der BGH prüfte die Vereinbarkeit der Veranstaltungsverbote mit Art. 12 und Art. 14 GG und kam zu dem Ergebnis: "Die öffentliche Hand hat für den zu beurteilenden Zeitraum einen verfassungsgemäßen Ausgleich zwischen der Grundrechtsbeeinträchtigung des Klägers und dem mit dem Veranstaltungsverbot verfolgten Schutz besonders bedeutsamer Gemeinwohlbelange gefunden." Die Beschränkungen seien dabei auch angemessen gewesen, weil sie zeitlich befristet gewesen seien und das Land zudem ein stufenweises Öffnungskonzept vorgelegen habe. Außerdem hätten Hilfsprogramme die finanziellen Schäden abgefedert, so der BGH.
Dem Senat zufolge ist die Kunstfreiheit im vorliegenden Fall nicht maßgeblich, weil es bei dem Augleich von Erwerbsschäden nicht um die immaterielle Dimension von Kunst nach Art. 5 Abs. 3 GG gehe, sondern um die vermögensrechtliche, die bereits von der hier berücksichtigten Berufsfreiheit abgedeckt werde.
Keine Pflicht, Ausgleichsansprüche im IfSG gleich mitzuregeln
Der BGH stellte dabei auch gleich klar, dass der Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich verpflichtet gewesen sei, Ausgleichsansprüche direkt im IfSG mitzuregeln. Denn der Zeitraum, in dem sich das Veranstaltungsverbot faktich wie eine Betriebsuntersagung ausgewirkt habe, habe nur zwei Monate betragen.
Mit seiner Entscheidung bleibt der BGH seiner bisherigen Linie treu. Auch in früheren Verfahren hatte das Gericht eine Staatshaftung für Einnahmenausfall abgelehnt. Die Hoffnung des Musikers, dass im Fall von Künstlern wegen der häufig fehlenden Rücklagen anders entschieden werde, hat sich damit nicht bewahrheitet.
"Leben und Gesundheit der Kultur sind nicht geschützt worden", sagte der sichtlich enttäuschte Musiker am Donnerstag. Den Weg zum Bundesverfassungsgericht wolle er sich vorbehalten, sagte er.
lfo/dpa/LTO-Redaktion
Musiker unterliegt im Staatshaftungsprozess vor dem BGH: . In: Legal Tribune Online, 03.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52409 (abgerufen am: 07.10.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag