BGH sieht Mitwirkungspflicht von Metzgerei: Hat eine Behörde vor zu viel Wurst gewarnt?

19.12.2024

In einer bayerischen Metzgerei fanden Kontrolleure überhöhte Listerienwerte. Sie warnten daraufhin vor sämtlichen Wurstwaren des Unternehmens, das sodann insolvent ging. Die Verantwortung liegt aber nicht bei den Kontrolleuren, so der BGH.

Im Rechtsstreit um eine öffentliche Warnung des Freistaats Bayern vor Produkten der insolventen Großmetzgerei Sieber hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Mitwirkungspflicht des Unternehmens betont. Die Metzgerei hätte mit den zuständigen Behörden aktiv zusammenarbeiten und von sich aus auf gesundheitlich unbedenkliche Wurstware hinweisen müssen, entschied der Senat und hob ein Urteil aus München auf (Urt. v. 19.12.2024, Az. III ZR 24/23).

Im Wacholder-Wammerl der Metzgerei hatten behördliche Kontrolleure 2016 wiederholt Listerienwerte festgestellt, die weit über dem zulässigen Grenzwert lagen. Listerien sind Bakterien, die insbesondere für Schwangere, Neugeborene und Immungeschwächte lebensbedrohlich sind. Nach dem Verzehr von mit Listerien belasteten Produkten waren seit 2012 knapp 80 Menschen in Süddeutschland erkrankt, acht starben.

Die bayerischen Behörden entschieden, die Öffentlichkeit müsse vor den Sieber-Produkten gewarnt werden. Die Metzgerei versuchte noch, sich mit einem Eilantrag zu wehren, doch ohne Erfolg. Ende Mai veröffentlichte das Verbraucherschutzministerium eine Warnung vor sämtlichen Schinken- und Wurstprodukten des Unternehmens. Die Ware wurde zurückgerufen und die Produktion eingestellt. Sieber ging später insolvent.

Schadensersatz in Millionenhöhe gefordert

Der Insolvenzverwalter zog anschließend gegen den Freistaat vor Gericht und forderte Schadensersatz aus Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB) in Höhe von rund elf Millionen Euro. Seiner Ansicht nach hätten nachpasteurisierte beziehungsweise zwingend vor dem Verzehr zu erhitzende Produkte der Metzgerei von der Warnung und dem Rückruf ausgeschlossen werden müssen, da von ihnen keine Gefahr ausgegangen sei. Das Oberlandesgericht München gab ihm in zweiter Instanz teilweise recht.

Das OLG-Urteil wurde vom BGH nun aber wiederum teilweise aufgehoben. Die zuständigen Beamten seien nicht verpflichtet gewesen, von sich aus etwa durch Befragung des Personals "ins Blaue hinein" zu ermitteln, ob und welche nachpasteurisierten Produkte die Metzgerei im Sortiment hatte, so der BGH. Was ein Amtsträger trotz sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung nicht sehe, könne von ihm auch nicht berücksichtigt werden.

Das OLG habe festgestellt, dass kein Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden bei seit 2011 durchgeführten Betriebskontrollen "Wahrnehmungen gemacht oder Unterlagen gesehen hat, die auf ein Nachpasteurisieren von Produkten hätten schließen lassen". Außerdem hätten weder der damalige Sieber-Geschäftsführer noch seine Beschäftigten darauf hingewiesen.

Fall geht zurück nach München

Das OLG habe die Anforderungen an die Behörde überspannt und verkannt, dass es am Unternehmen lag, auf unbedenkliche Produkte aktiv hinzuweisen, so der BGH. Das sei schon deshalb der Fall, weil die Nachpasteurisierung ein betriebsinterner Vorgang ist, der sich außerhalb der behördlichen Wahrnehmung abspielte, so der BGH. Das Unternehmen habe eine Mitwirkungs- und Kooperationspflicht.

Anstatt selbst zu entscheiden, verwies der BGH die Sache am Donnerstag nach München zurück. Denn der Insolvenzverwalter hatte im Verfahren behauptet, die Behördenmitarbeiter hätten Kenntnis von der Pasteurisierung gehabt. Die hierfür benannten Zeugen seien aber nicht vernommen worden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sich daraus Anhaltspunkte für ein fahrlässiges Verhalten von Amtsträgern ergeben könnte, so der Karlsruher Senat. Das OLG München muss nun erneut verhandeln und entscheiden.

dpa/pdi/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH sieht Mitwirkungspflicht von Metzgerei: . In: Legal Tribune Online, 19.12.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56159 (abgerufen am: 12.02.2025 )

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