Eine Gastronomen-Familie aus Brandenburg erlitt hohe Einbußen, weil sie in der Pandemie wochenlang schließen musste. Ein Anspruch auf Entschädigung gegen das Land besteht aber nicht, wie der BGH entschied.
Betroffene der Corona-Lockdowns haben nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) keinen Anspruch auf staatliche Entschädigung für ihre Einnahmeausfälle. Die Karlsruher Richterinnen und Richter wiesen am Donnerstag in einem Pilotverfahren die Klage eines Gastronomen und Hoteliers gegen das Land Brandenburg ab, der im Frühjahr 2020 weitgehend schließen musste (Urt. v. 17.03.2022, Az. III ZR 79/21).
Um die Ausbreitung des Virus zu stoppen, hatten Bund und Länder in der ersten Pandemie-Welle im März 2020 das öffentliche Leben heruntergefahren. Auch die Gastronomie musste wochenlang schließen. Essen und Getränke konnten nur zum Mitnehmen verkauft werden. Hotels durften keine Touristen mehr aufnehmen.
Das traf auch das Schloss Diedersdorf, einen familiengeführten Betrieb mit Hotel, mehreren Restaurants und großem Biergarten südlich von Berlin. Eigentümer Thomas Worm und seine Tochter Salina beziffern ihre Einbußen mit 5.438 Euro am Tag - durch entgangenen Gewinn und laufende Kosten. Die Familie bekam zwar 60.000 Euro Soforthilfe. Aber diese Summe deckt gerade einmal elf Tage ab, wie ihr Anwalt in der BGH-Verhandlung des Falls am 3. März vorrechnete.
Bekämpft, nicht verhütet
Die Worms wollten erreichen, dass das Land Brandenburg ihnen eine Entschädigung von mindestens 27.000 Euro zahlen muss. Die genaue Schadenshöhe wäre nachträglich bestimmt worden. Die Klage hatte am Potsdamer Landgericht und am Oberlandesgericht Brandenburg keinen Erfolg. Nun wies der BGH auch die Revision zurück.
Laut der Entscheidung des BGH gewähren die Entschädigungsvorschriften des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) den Gewerbetreibenden, die als infektionsschutzrechtliche Nichtstörer von einer Betriebsschließung oder -beschränkung betroffen waren, weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung einen Anspruch auf Entschädigung.
Ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung ergebe sich nicht aus § 65 Abs. 1 IfSG. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut sei die Vorschrift nur bei Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten einschlägig. "Im vorliegenden Fall dienten die Corona-Verordnungen jedoch der Bekämpfung der COVID-19-Krankheit", so der BGH in einer Mitteilung. Diese hatte sich am 22. März 2020, dem Tag des Erlasses der Verordnung, bereits deutschlandweit ausgebreitet. "§ 65 Abs. 1 IfSG kann auch nicht erweiternd dahingehend ausgelegt werden, dass der Anwendungsbereich der Norm auf Bekämpfungsmaßnahmen, die zugleich eine die Ausbreitung der Krankheit verhütende Wirkung haben, erstreckt wird", hieß es weiter.
Pandemiehilfe keine Aufgabe der Staatshaftung
Eine verfassungskonforme Auslegung der IfSG-Regeln dahingehend, dass den Hoteliers eine Entschädigung zu gewähren ist, scheide ebenso aus wie eine analoge Anwendung von § 56 Abs. 1 oder § 65 Abs. 1 IfSG. Der Wortlaut der Normen sei klar und ließe eine ausdehnende Auslegung nicht zu. Außerdem fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke.
Hilfeleistungen für von der Pandemie schwer getroffene Wirtschaftsbereiche seien keine Aufgabe der Staatshaftung, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Herrmann bei der Urteilsverkündung. Aus dem Sozialstaatsprinzip folge nur eine Pflicht zu innerstaatlichem Ausgleich. Die nähere Ausgestaltung bleibe dem Gesetzgeber überlassen. In der Pandemie sei der Staat dieser Verpflichtung durch die Auflage von Hilfsprogrammen nachgekommen.
Damit ist das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen. Möglich wäre nur noch eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht.
Die Entscheidung hat grundsätzlichen Charakter. Die Land- und Oberlandesgerichte orientieren sich in aller Regel daran. Dort sind nach Herrmanns Worten bundesweit viele ähnliche Verfahren anhängig.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
BGH zur Entschädigung eines Gastronomiebetriebs: . In: Legal Tribune Online, 17.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47863 (abgerufen am: 03.10.2024 )
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