BGH zum Influencer-Marketing auf Instagram: Nicht alle Pro­duktbei­träge sind Wer­bung

09.09.2021

Wann müssen Influencer-Beiträge auf Instagram als Werbung gekennzeichnet werden? Nicht immer, entschied der BGH in drei Verfahren um bekannte Influencerinnen. Wenn es "übertrieben werblich" wird, dagegen schon. 

Influencerinnen und Influencer dürfen laut dem Bundesgerichtshof (BGH) im Internet bei Fotos mit Produkten ohne einen Hinweis auf Werbung auf Firmen verweisen – wenn es nicht zu werblich wird. Dies entschied der BGH am Donnerstag in drei Verfahren um die bekannten Influencerinnen Cathy Hummels, Leonie Hanne sowie Luisa-Maxime Huss (Urt. v. 09.09.2021, Az. I ZR 126/20 (Hummels), I ZR 125/20 (Hanne) und I ZR 90/20 (Huss)).

Geklagt hatte in allen drei Fällen der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. (VSW). Der Verein beanstandete bei den drei Influencerinnen die Verwendung von sogenannten Tap Tags in Beiträgen auf Instagram. Dabei handelt es sich um Markierungen in Instagram-Posts, die erst durch ein Antippen des Instagram-Nutzers sichtbar werden. Markiert werden häufig Firmen oder Hersteller auf ihren Artikeln, die in dem geposteten Bild zu sehen sind. Durch ein weiteres Tippen gelangt der Nutzer oder die Nutzerin dann auf deren Seite. Auch die drei Influencerinnen, deren Fälle nun vor dem BGH landeten, verwendeten solche Tap Tags. Der VSW hielt das bei allen für unzulässige Schleichwerbung und nahm sie auf Unterlassung und Ersatz einer Abmahnpauschale in Anspruch. Im Fall von Huss hatte das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig die von ihr gesetzten Tap Tags als unzulässige Werbung eingestuft. Das OLG Hamburg sah das im Fall Leonie Hanne anders, ebenso wie das LG München I in Hummels' Fall.

Der BGH entschied nun, dass dem VSW nur hinsichtlich des Postings von Huss ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) zusteht. Huss hatte in einem ihrer Beiträge eine Himbeermarmelade abgebildet und mit einem Tap Tag versehen, der auf das Instagram-Profil des Herstellers leitete. Dafür erhielt sie von dem Marmeladen-Hersteller eine Gegenleistung. Anders bewertete der BGH die Fälle von Hummels und Hanne. Sie erhielten für die beanstandeten Beiträge keine Gegenleistung, dem VSW stehe in diesen beiden Fällen kein Unterlassungsanspruch zu. 

Medienrechtler: "BGH entscheidet widersprüchlich"

Laut BGH stellt die Veröffentlichung eines Beitrags nur dann eine geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens dar, "wenn dieser Beitrag nach seinem Gesamteindruck übertrieben werblich ist, etwa weil er ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge eines Produkts dieses Unternehmens in einer Weise lobend hervorhebt, dass die Darstellung den Rahmen einer sachlich veranlassten Information verlässt". Allein die Verlinkung eines Produkts per Tap Tags reiche für die Annahme eines solchen werblichen Überschusses aber nicht aus. Bei der Verlinkung auf die Internetseite des Herstellers des abgebildeten Produkts liege dagegen regelmäßig ein werblicher Überschuss vor, heißt es in der Pressemitteilung des BGH. Die Prüfung, ob ein Beitrag übertrieben werblich ist, bedürfe der umfassenden Würdigung durch das Tatgericht.

Der Medienrechtler Dr. Martin Gerecke von der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland kritisiert gegenüber LTO, dass der BGH mit der Entscheidung keine echte Guideline für Influencerinnen und Influencer, Unternehmen und soziale Netzwerke liefert. "Die sogenannten Tap Tags sollen laut BGH einerseits nicht für den werblichen Charakter sprechen. Andererseits seien 'Verlinkungen auf eine Internetseite eines Unternehmens' regelmäßig Indiz für einen werblichen Überschuss. Die für die Branche kritischen Fälle sind aber ja gerade Tap Tags, die Links auf Unternehmensseiten enthalten – nämlich auf den Instagram Account des Unternehmens. Hier bleibt jedenfalls die Pressemitteilung des BGH (Anm. d. Red.: Die Urteilsgründe lagen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels noch nicht vor) unklar und widersprüchlich", so Gerecke.

"Die Entscheidungen, die für Laien kaum verständlich zu lesen sind, werden die Branche nicht beruhigen", so Gerecke weiter. Ihm zufolge werden erst die Regelungen zur Werbekennzeichnung Klarheit bringen, die nächstes Jahr in Kraft träten. Die kommenden Regelungen seien nämlich viel klarer als die Entscheidungen des BGH, sagt Gerecke: "Nur wenn der Influencer einen Vermögensvorteil - gleich welcher Art - erlangt hat, ist sein Posting als kennzeichnungspflichtige Werbung anzusehen."

Branchenverband begrüßt Urteil

Influencerin Huss sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa), sie hätte sich klarere Regeln gewünscht. "So bleibt viel Interpretationsspielraum." Selbst wenn man von einem Produkt total überzeugt sei, müsse man sich genau überlegen, wie man das formuliert. Vorsichtshalber jeden derartigen Beitrag als Werbung zu kennzeichnen, sei keine Lösung: "Das sieht wie eine Dauerwerbeschleife aus, was ich nicht bin."

Dass es weiter auf den Einzelfall ankommt, sei im Lauterkeitsrecht nicht ungewöhnlich, sagte Rechtsanwalt Simon Apel von der Kanzlei SZA der dpa. "Da gibt es eher selten glasklare Angelegenheiten." Somit könnten zwei abweichende Gerichtsentscheidungen zu ähnlichen Fällen beide gut begründet sein. Die Vorinstanzen in den drei BGH-Verfahren hatten unterschiedlich geurteilt. Hier ist Apel nicht involviert, er berät Unternehmen zu rechtlichen Aspekten des Influencer-Marketings.

Soweit der BGH davon ausgeht, dass ein Hinweis auf den Hersteller eines Produkts in einem Tap Tag - ohne Gegenleistung - noch nicht genüge, um einen Beitrag als übertrieben werblich und somit kennzeichnungspflichtig einzuordnen, überzeugt dies Apel allerdings nur teilweise: "Das wäre plausibel, wenn der Tap Tag nur den Namen des Produkts oder Herstellers nennt, aber nicht auf das Instagram-Profil des Herstellers weiterleitet", erläuterte er. "Wenn eine solche Weiterleitung aber erfolgt, ist nicht ersichtlich, wo der Unterschied zu einer Verlinkung der Internetseite des Herstellers liegen soll, die der BGH in der Regel für werblich hält."

Der Branchenverband Bitkom sieht "Klarheit für alle, die Teil dieser neuen Werbeökonomie sind" - auch für Nutzerinnen und Nutzer von Netzwerken wie Instagram, Facebook oder Tiktok, die mehr Transparenz bekämen. "Posts können zwar werblich wirken, aber nicht alles, was Social-Media-Stars posten, ist auch wirklich Werbung im rechtlichen Sinn", erklärte Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.

acr/LTO-Redaktion

mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

BGH zum Influencer-Marketing auf Instagram: . In: Legal Tribune Online, 09.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45965 (abgerufen am: 06.10.2024 )

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