BGH: Gericht­liche Anord­nung schützt nicht vor zuläs­siger Bild­ver­öf­f­ent­li­chung

07.06.2011

Nur Personen der Zeitgeschichte müssen dulden, dass ihr Gesicht in der Boulevardpresse auftaucht. Dass auch ein Terrorist für die Öffentlichkeit so interessant sein kann und auch sein Vertrauen auf eine sitzungspolizeiliche Verpixelungs-Anordnung ihn nicht vor der Veröffentlichung schützt, hat der BGH mit Urteil vom Dienstag entschieden.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revision eines verurteilten Terroristen zurück gewiesen, der einen Unterlassungsanspruch gegen die Herausgeberin der "Bild"-Zeitung durchsetzen wollte. Er hat damit keinen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung eines Fotos, auf dem sein Gesicht zu erkennen ist (Urt. v. 07.06.2011, Az. VI ZR 108/10).

Der Extremist war wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchter Beteiligung an einem Mord zu einer Freiheitsstrafe von über sieben Jahren verurteilt worden. Im Anschluss an das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart erschien in der Bild-Zeitung vom 16. Juli 2008 ein unverpixeltes Foto im Zusammenhang mit einem Bericht über die Verurteilung.

Grundsätzlichen dürfen Bildnisse einer Person gemäß § 22 Kunsturhebergesetz (KUG) nur mit deren Einwilligung verbreitet werden. Eine Ausnahme davon macht § 23 Abs. 1 KUG, wenn es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Allein berechtigte Interessen des Abgebildeten können die Verbreitung hindern, § 23 Abs. 2 KUG.

Sitzungspolizeiliche Anordnung kann das KUG nicht aushebeln

Der VI. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass es sich bei der Urteilsverkündung um ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne des § 23 Abs. 1 KUG handelt, an dem die Öffentlichkeit erheblich interessiert ist. Das Interesse des Verurteilten an seinem Persönlichkeitsschutz müsse daher zurücktreten.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass während der Hauptverhandlung vor dem OLG Bildaufnahmen nach § 176 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nur erlaubt waren, wenn die Gesichter unkenntlich gemacht würden. Der Schutz über das Sitzungspolizeirecht könne nämlich nicht weiter gehen als der Schutz durch das KUG.

Die Karlsruher Richter bewerteten auch die Aussage des Terroristen, er habe nur im Vertrauen auf die sitzungspolizeiliche Anordnung nicht sein Gesicht vor Bildaufnahmen geschützt, anders als die Vorinstanzen. Für die Rechtfertigung der Verbreitung sei allein das KUG entscheidend, dort spiele die Einwilligung des Fotografierten gerade keine Rolle, so der Senat. Seine möglichen Erwartungen bezüglich der Bildaufnahmen könnten im Ergebnis nicht die Rechtfertigung über das KUG aushebeln.

ssc/LTO-Redaktion

 

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Zitiervorschlag

BGH: . In: Legal Tribune Online, 07.06.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3465 (abgerufen am: 05.12.2024 )

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