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Wie konkret muss der Sterbewille sein?: BGH präz­i­siert Anfor­de­rungen an Pati­en­ten­ver­fü­gung

von Constantin Baron van Lijnden

24.03.2017

Patientenverfügung mit Ordner, Brille und Füller

© Jürgen Hüls - Fotolia.com

Vergangenes Jahr errichtete der BGH in einem vielbeachteten Beschluss hohe Hürden für Patientenverfügungen. Wann genau diese konkret genug sind, präzisiert er nun in einer weiteren Entscheidung. Doch auch diese lässt manche Fragen offen.

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat seine Anforderungen an die Bestimmtheit von Patientenverfügungen fortgeschrieben. Grundsätzlich sei die Erklärung, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, zwar nicht ausreichend, da diese Maßnahmen jeweils einzeln benannt werden müssten. Etwas anderes könne jedoch gelten, wenn die Umstände, unter denen keine lebenserhaltenden Maßnahmen gewünscht werden, hinreichend konkret beschrieben sind und die Patientenverfügung zudem weitere Festlegungen enthält, die einen Rückschluss auf den Patientenwillen zulassen (Beschl. v. 08.02.2017, Az. XII ZB 604/15).

In dem Verfahren ging es um eine 1940 geborene Frau, die im Mai 2008 einen Schlaganfall und im Juni 2008 einen hypoxisch bedingten Herz-Kreislauf-Stillstand erlitten hatte. Seitdem befindet sie sich im Wachkoma und wird über eine Magensonde künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt.

Patientin: "Ich möchte sterben."

Bereits im Jahr 1998 hatte die Frau eine Patientenverfügung unterschrieben, derzufolge "lebensverlängernde Maßnahmen" u.a. dann unterbleiben sollten, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht oder wenn aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe. Angesichts zweier Wachkoma-Patienten aus ihrem Bekanntenkreis hatte die Frau zudem seit 1998 mehrfach gegenüber Familienangehörigen und Bekannten erklärt, sie wolle nicht so am Leben erhalten werden, sie wolle nicht so daliegen, lieber sterbe sie. Sie habe aber durch eine Patientenverfügung vorgesorgt, das könne ihr nicht passieren.  

Im Juni 2008 – nach dem Schlaganfall, vor dem Herz-Kreislauf-Stillstand – erhielt die Frau zudem einmalig die Möglichkeit, zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit sagte sie ihrer Therapeutin: "Ich möchte sterben."

Unter Vorlage der Patientenverfügung von 1998 regte der Sohn der Betroffenen im Jahr 2012 an, ihr einen Betreuer zu bestellen. Das Amtsgericht bestellte daraufhin den Sohn und den Ehemann zu jeweils alleinvertretungsberechtigten Betreuern.  Der Sohn ist, im Einvernehmen mit dem bis dahin behandelnden Arzt, seit 2014 der Meinung, die künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr solle eingestellt werden, da dies dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen der Frau entspreche. Ihr Ehemann lehnt dies ab.  

Landgericht: Einstellung der Ernährung als aktive Sterbehilfe

Den vom Sohn gestellten Antrag auf Genehmigung der Einstellung der künstlichen Ernährung haben sowohl das Amts- als auch das Landgericht abgelehnt. Das Landgericht hat dazu angeführt, dass die Frau ausweislich ihrer Patientenverfügung keine aktive Sterbehilfe wünsche. Aus ihrer Sicht könne sich das Abschalten der künstlichen Ernährung aber als ein aktives Tun und somit als aktive Sterbehilfe darstellen. Die Patientin habe also zwar nicht in eine Situation kommen wollen, in der sie künstlich am Leben erhalten würde - nun, da sie sich in einer solchen Situation befinde, sei aber davon auszugehen, dass sie darin verbleiben wolle, weil sie deren Beendigung als aktive Sterbehilfe ablehnte.

Der BGH hat diese Entscheidung des Landgerichts nun aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung dorthin zurückverwiesen. Die Argumentation, dass das Abstellen der künstlichen Ernährung aktive Sterbehilfe und daher nicht gewünscht sei, sei nicht haltbar. Das Landgericht müsse sich nun erneut mit der Frage befasst, ob sich aus der Patientenverfügung ergibt, dass die Frau den Abbruch der künstlichen Ernährung wünscht.

BGH 2016 in ähnlichem Fall mit hohen Anforderungen an Bestimmtheit

Zwar hatte der BGH selbst noch vergangenes Jahr in einem vielbeachteten Beschluss entschieden, dass die Formulierung, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, nicht konkret genug sei, sondern die einzelnen Maßnahmen sowie die Umstände, unter denen diese zu unterbleiben haben, in der Patientenverfügung jeweils benannt werden müssten (Beschl. v. 06.07.2016, Az. XII ZB 61/16). Dem damaligen Fall lag dasselbe Formular der evangelischen Kirche zugrunde wie auch dem nun entschiedenen. Allerdings hatte der BGH schon damals betont, dass "die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung auch nicht überspannt werden dürfen".

Im aktuellen Fall werde die lebenserhaltende Maßnahme, um die es geht (künstliche Ernährung), in der Patientenverfügung zwar nicht konkret benannt. Dafür würden aber die Umstände, unter denen die Verfügung greifen sollte, spezifisch benannt – nämlich u.a. dann, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins bestehe. Außerdem habe die Frau für diesen Fall festgelegt, dass Behandlung und Pflege auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein sollten, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen sei.

"Es ist erfreullich, dass der BGH nun auf den dauerhaften Verlust des Bewusstseins als einschlägige Krankheitssituation abstellt", sagt dazu Rechtsanwalt Wolfgang Putz, der sowohl im hiesigen Verfahren als auch im 2016 entschiedenen Fall auf Seite der Familienmitglieder, die ein Behandlungsende wünschen, tätig ist. Umso unverständlicher sei es für ihn, dass der BGH diese Fallgruppe 2016 nicht berücksichtigt habe, obwohl auch damals ein dauerhafter Verlust des Bewusstseins im Raum gestanden hätte.

"Wirklich klare Maßstäbe liefert auch diese Entscheidung nicht"

Ob beim derzeitigen Gesundheitszustand der Frau tatsächlich keine Hoffnung auf eine Wiedererlangung des Bewusstseins besteht, habe das Landgericht bislang nicht geprüft; dies werde es nachholen müssen, so der BGH. Wenn dem so sein sollte, "könnte" sich aus der Patientenverfügung der Wille ergeben, dass die künstliche Ernährung eingestellt werden solle. Wenn dies nicht der Fall sei, müsse das Landgericht erneut den mutmaßlichen Willen der Frau anhand ihrer früheren Äußerungen, ethischen oder religiösen Überzeugungen und sonstigen Wertvorstellungen prüfen. Nach Auffassung der Kalrsruher Richter sei dabei entscheidend, wie sie selbst entscheiden würde, wenn sie dazu noch in der Lage wäre.

Für Putz ist das Verfahren auch Ausdruck überzogener Spezifizitätserfordernisse bei der Auslegung von Patientenverfügungen: "Wenn Sie sich ansehen, wie die Frau sich gegenüber mehreren Bekannten und in der Patientenverfügung geäußert hat, kann eigentlich kein Zweifel daran bestehen, dass sie genau der Situation entgehen wollte, in der sie sich nun seit bald acht Jahren befindet. Die Entscheidung des BGH ist zwar im Ergebnis richtig; wirklich klare, nachvollziehbare und allgemeinverbindliche Vorgaben zur künftigen Auslegung von Patientenverfügungen enthält sie aber auch nicht."

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Constantin Baron van Lijnden, Wie konkret muss der Sterbewille sein?: . In: Legal Tribune Online, 24.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22470 (abgerufen am: 07.11.2025 )

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