Müssen Gerichte nach der Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung die Einziehung von Taterträgen auch im Jugendstrafrecht zwingend anordnen? Der 1. Strafsenat am BGH will diese Entscheidung den Gerichten überlassen.
Seit Juli 2017 gelten vereinfachte Regeln für die Vermögensabschöpfung im Strafrecht. Gerichte und Staatsanwaltschaften können seitdem leichter Vermögen unklarer Herkunft einziehen – müssen es sogar, wie § 73 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) anordnet.
Ob die Einziehung von Taterträgen nach der Neuregelung der Vermögensabschöpfung auch im Jugendstrafrecht zwingend anzuordnen ist, ist aber umstritten. Der 1. Strafsenat am Bundesgerichtshof (BGH) will in der Frage nun aber Klarheit schaffen und hat eine Anfrage an die anderen Strafsenate gestellt.
Konkret geht es um einen Fall aus München. Das dortige Landgericht (LG) II hatte einen Angeklagten wegen verschiedener Vermögensdelikte zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Von der Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen den vermögenslosen Angeklagten, insgesamt Geld und Waren im Wert von etwa 17.000 Euro, hat es nach § 73c StGB abgesehen.
Die Staatsanwaltschaft München hatte gegen die Entscheidung über die Einziehung Revision eingelegt. Die Einziehung sei nach Ansicht der Staatsanwalt nach der Neuregelung auch im Jugendstrafrecht zwingend anzuordnen. Das LG vertritt aber einen anderen Standpunkt: Aus der Systematik des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) ergebe sich, dass die Einziehung von Taterträgen zwar eine zulässige Nebenfolge im Jugendstrafrecht sei, § 8 Abs. 3 JGG allerdings vorsehe, dass die Entscheidung, ob die Nebenfolge angeordnet werde, im Ermessen des Gerichts liege.
1. Strafsenat will Revision verwerfen, wartet noch auf andere Senate
Der 1. Strafsenat beabsichtigt, die Revision der Staatsanwaltschaft zu verwerfen und sich der Argumentation des LG anzuschließen. Die Einziehung der Taterträge steht nach Auffassung des 1. Strafsenats im Ermessen des Gerichts. Diese Auslegung ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift. Außerdem spreche hierfür die Systematik des Gesetzes, insbesondere die Regelung in § 15 JGG (Auflagen). Auch der Generalbundesanwalt habe zu dieser Rechtsansicht angeregt, hieß es in einer Mitteilung des BGH am Donnerstag.
Durch die entgegenstehende Rechtsprechung des 2. und 5. Strafsenat sieht sich der erste Senat aber an einer entsprechenden Entscheidung gehindert. Deswegen sei nun beim 2. und 5. Strafsenat angefragt worden, ob an der entgegenstehenden Rechtsprechung festgehalten wird, und bei dem 3. und 4. Strafsenat, ob dortige Rechtsprechung entgegensteht.
Mit der Reform wollte der Gesetzgeber außerdem erreichen, dass sich Straftäter auch dann nicht ihrer Beute sicher sein konnten, wenn die Tat bereits verjährt ist. Das sollte sogar für solche Fälle gelten, in denen die Tat bereits vor dem Inkrafttreten der Reform verjährt war. Der BGH hatte an der Zulässigkeit dieser Rückwirkung Zweifel und schaltete im März das Bundesverfassungsgericht ein. Dort soll geklärt werden, ob eine solche Rückwirkung nicht gegen die Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstoße. Noch gibt es dazu aber noch keine Entscheidung.
acr/LTO-Redaktion
Vermögensabschöpfung im Jugendstrafrecht: . In: Legal Tribune Online, 12.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36457 (abgerufen am: 09.10.2024 )
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