Druckversion
Freitag, 14.11.2025, 02:37 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/bgh-VZR2321-waermedaemmung-berlin-nachbargesetz-von-verfassungswidrigkeitnicht-ueberzeugt
Fenster schließen
Artikel drucken
48912

BGH bestätigt Berliner Nachbarschaftsregelung: Bei der Wär­m­e­däm­mung darf die Grenze über­schritten werden

01.07.2022

Altbau

In Berlin gibt es eine einfachere Regelung in Bezug auf die Duldung von Überbau bei Dämmung, als in anderen Ländern.  Foto: Tiberius Gracchus/stock.adobe.com

Wer in Berlin sein Haus dämmen möchte, kann in den meisten Fällen dafür die Grundstücksgrenze zum Nachbarn überschreiten. Der BGH hat Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser lockeren Regelung. Überzeugt ist er allerdings nicht.

Anzeige

Das Land Berlin darf die nachträgliche Dämmung von Altbauten weiterhin auch zulasten betroffener Nachbarn ermöglichen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zwar Zweifel, ob die weitgehende Berliner Regelung noch verfassungsgemäß ist. Überzeugt sind die Richter von der Verfassungswidrigkeit aber nicht (Urt. v. 23.07.2022, Az.V ZR 23/21).

Die Parteien des Verfahrens sind Eigentümerinnen benachbarter Grundstücke in Berlin. Eine der Eigentümerinnen will im Rahmen einer Fassadensanierung den Giebel ihres Gebäudes mit einer Dämmung versehen und dabei über die Grenze zum Grundstück der anderen Eigentümerin hinüberbauen.

Das Amtsgericht (AG) Pankow/Weißensee war als erste Instanz der Meinung gewesen, die betroffene Nachbarin müsse die Überbauung ihres Grundstücks zum Zwecke der Wärmedämmung dulden. Das Landgericht (LG) Berlin hatte die Berufung der Betroffenen schließlich ebenso zurückgewiesen.

Klimaschutzgebot rettet die Norm

Auch mit ihrer Revision vor dem BGH blieb sie nun erfolglos. Sie muss die Arbeiten zur Wärmedämmung akzeptieren. Dreh- und Angelpunkt des Streits war die Vorschrift des § 16a des Berliner Nachbargesetz (NachbarG), die regelt, wann grenzüberschreitende Wärmedämmungen zu dulden sind. Dessen einzige Voraussetzung liege vor, so der BGH. Diese sei nämlich, dass die Überbauung zum Zwecke der Dämmung eines bereits bestehenden, entlang der Grundstücksgrenze errichteten Gebäudes erfolgt - so wie hier.

Der Senat hat allerdings Zweifel an der materiellen Verfassungsmäßigkeit der Norm. Es sei nicht klar, ob sie mit  Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar sei. In den Regelungen anderer Bundesländer werde der Duldungsanspruch nämlich durchweg von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht, führten die Richter aus. Berlin wollte die Vorschrift aber möglichst einfach halten. Deshalb haben die Richter Bedenken geäußert, ob die Norm im engeren Sinne verhältnismäßig ist. Insbesondere gehe es um die Frage, ob die Interessen des duldungspflichtigen Nachbarn ausreichend berücksicht seien und damit der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum eingehalten sei.

Am Ende war der BGH jedoch der Ansicht, dass die Norm noch als verhältnismäßig anzusehen ist. Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass die Regelung aus Sicht des Gesetzgebers nicht allein das Verhältnis zweier Grundstückseigentümer untereinander betrifft, sondern vor allem dem Klimaschutz und damit einem anerkannten Gemeinwohlbelang diene. Diesem komme über das aus Art. 20a Grundgesetz (GG) abgeleitete Klimaschutzgebot zudem Verfassungsrang zu. Deshalb waren die BGH-Richter nicht von der Verfassungswidrigkeit überzeugt. Das wäre für eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Überprüfung über eine konkrete Normenkontrolle aber nötig gewesen.

cp/LTO-Redaktion

mit Material der dpa

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

BGH bestätigt Berliner Nachbarschaftsregelung: . In: Legal Tribune Online, 01.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48912 (abgerufen am: 15.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • BVerfG
    • Verfassung
    • Wohneigentum
Demonstranten bei Sitzblockade 15.11.2025
Podcast

OpenAI verliert gegen Gema / Sitzblockaden / Voyeuristische Fotos:

"Mich wun­dert, dass Du die Ver­ur­tei­lung von Demon­s­tranten recht­fer­tigst"

Wie weit reicht die Versammlungsfreiheit, wenn andere Versammlungen gestört werden? Können Urheber bald an OpenAI mitverdienen? Und warum sind voyeuristische Fotos nicht strafbar? Dies und mehr in Folge 64 des LTO-Podcasts Die Rechtslage.

Artikel lesen
Versammlung der Piusbruderschaft. 13.11.2025
Versammlungen

BVerfG zu Grenzen der Versammlungsfreiheit:

Gegen­de­mon­s­t­ra­tion ja – Voll­b­lo­c­kade nein

Eine Sitzblockade als geschützte Versammlung? Ja – aber nicht, wenn sie eine andere Versammlung komplett lahmlegt. Das BVerfG hält die Verurteilung eines Gegendemonstranten zu einer Geldstrafe für verfassungsgemäß.

Artikel lesen
Ein Schild „Sächsisches Oberverwaltungsgericht“ steht vor dem Gebäude auf dem Gelände der Ortenburg 10.11.2025
Referendariat

Sächsisches OVG verpflichtet Freistaat:

Bewerber mit rechts­ex­t­remer Ver­gan­gen­heit darf Jurist werden

Das sächsische OVG hat entschieden, dass ein Bewerber trotz früherer Aktivitäten in rechtsextremen Organisationen vorläufig zum juristischen Vorbereitungsdienst zugelassen werden muss. Ohne strafbares Verhalten kein Ausschluss.

Artikel lesen
Eine Frau in einer Kirche 05.11.2025
Kirche

BVerfG-Entscheidung zum Selbstbestimmungsrecht der Kirche:

Egen­berger hat längst nicht ver­loren

Der Fall der konfessionslosen Bewerberin Egenberger geht zurück zum BAG. Dennoch hat das BVerfG die Kirchen in ihrem Selbstbestimmungsrecht mit dem Beschluss wesentlich beschnitten. Die müssen ihre Entscheidungen nämlich nun begründen.

Artikel lesen
Schild Justizzentrum Erfurt 04.11.2025
Konkurrentenklage

ArbG Erfurt zur Verfassungstreue:

Zu viel AfD für den Job?

Ein AfD-Kreistags- und Parteimitglied wollte einen Job beim Thüringer Landesverwaltungsamt. Doch das Innenministerium intervenierte vor der Stellenbesetzung. Nun klagt der Mann die Stelle ein und will Geld aus Verzug und c.i.c.

Artikel lesen
Bundesverfassungsgericht 04.11.2025
BVerfG

Rätselhafter Vorstoß aus NRW:

Das BVerfG ent­lasten - aber wie?

Ein Vorschlag aus dem Justizministerium NRW gibt Rätsel auf: Das BVerfG soll von Arbeit entlastet und resilienter zu werden. Statt konkreter Vorschläge gibt es nur Andeutungen. Auch dazu, welche Sorge um das Gericht ihn antreibt.

Artikel lesen
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern
Re­fe­ren­da­re | Düs­sel­dorf

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern , Düs­sel­dorf

Logo von Wolters Kluwer
Ju­rist als Pro­dukt­ma­na­ger im Be­reich Con­tent - Ar­beits­recht (m/w/d)

Wolters Kluwer , Hürth

Logo von Bundesinnung der Hörakustiker KdöR
Ju­rist (m/w/d)

Bundesinnung der Hörakustiker KdöR , Mainz

Logo von Deutsches Anwaltsinstitut e.V.
Re­fe­rent:in der Ge­schäfts­füh­rung (m/w/d)

Deutsches Anwaltsinstitut e.V. , Bochum

Logo von Osborne Clarke GmbH & Co. KG
Rechts­an­walt mit Be­ruf­s­er­fah­rung (w/m/d) Com­p­li­an­ce & In­ves­ti­ga­ti­on

Osborne Clarke GmbH & Co. KG , Ber­lin

Logo von DFH Gruppe
Voll­ju­ris­ten/Syn­di­kus­rechts­an­walt (m/w/d) für den Be­reich Pri­va­tes...

DFH Gruppe , Sim­mern

Logo von REDEKER SELLNER DAHS
Re­fe­ren­da­rin/Re­fe­ren­dar (m/w/d)

REDEKER SELLNER DAHS , Leip­zig

Logo von Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern
Re­fe­ren­da­re | Frank­furt

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern , Frank­furt am Main

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
§ 15 FAO - Krisenprävention, Insolvenzreifeprüfung und Haftungsszenarien

17.11.2025, Hamburg

Logo von AnwaltVerein Stuttgart e.V. | AnwaltService Stuttgart GmbH
Baden-Württembergischer Mietrechtstag 2025

18.11.2025

Digitale Kamingespräche: Wie arbeitet man eigentlich im DFG-Fachkollegium Privatrecht?

19.11.2025

Miet- und Bauprozessrecht I - Erstinstanzliches Verfahren

18.11.2025

Aktuelle Entwicklungen bei der Besteuerung von Personengesellschaften – MoPeG-Folgeänderungen

18.11.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH