Ein Autofahrer hatte einen geparkten Anhänger angestoßen, der rollte weg - und in ein Gebäude hinein. Für den Schaden aufkommen muss trotz des Schubsers durch einen Dritten der Halter des Anhängers, entschied der BGH.
Wer seinen Anhänger am Straßenrand abstellt, muss selbst dann für den Schaden aufkommen, wenn ihn ein anderer in Bewegung setzt. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit am Mittwoch veröffentlichtem Urteil (Urt. v. 15.03.2023, Az. VI ZR 87/22).
In dem Fall war ein Autofahrer aus Hessen in einer Linkskurve von der Straße abgekommen und in einen an der Seite geparkten Anhänger gefahren. Der rollte los und beschädigte ein Gebäude. Der Gebäudeversicherer zahlte dem Hauseigentümer daraufhin den entstandenen Schaden und verklagte den Haftpflichtversicherer des Autofahrers auf Schadensersatz.
Laut § 19 Abs. 1 S. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) muss der Halter Schadensersatz leisten, wenn "bei dem Betrieb eines Anhängers" jemand getötet, verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Das Landgericht (LG) Gießen hatte einen entsprechenden Schadensersatzanspruch abgelehnt. Der Schaden sei nicht beim Betrieb des Anhängers entstanden. Zwar bestehe bei einem Anhänger die Gefahr einer unkontrollierten Bewegung, die auch vom Schutzzweck des § 19 Abs. 1 S. 1 StVG erfasst werde. Im vorliegenden Fall bestehe aber die Besonderheit, dass der Anhänger durch den von der Straße abgekommenen Autofahrer angestoßen und dadurch weggerollt war. Das sei dem Anhängerhalter nicht mehr zuzurechnen und eine Ausnahme daher angebracht, hatte das LG entschieden.
Anhänger birgt "Gefahr einer unkontrollierten Bewegung durch Einwirkung von Fremdkraft"
Das hat der BGH nun anders gesehen – und ist damit seiner Linie, das Merkmal "bei dem Betrieb" weit auszulegen, treu geblieben. Die Gefährdungshaftung des StVG sei der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet werde. Die Vorschriften erfassten daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe.
Auch wenn der Fahrer, der die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hatte, den Unfallablauf maßgeblich mitbestimmt habe, sei das Schadensgeschehen bei wertender Betrachtung durch den Anhänger (mit)geprägt worden und daher auch seinem Betrieb zuzurechnen. In dem Gebäudeschaden wirke die der Konstruktion des Anhängers und der Belassung auf der Straße innewohnende Gefahr einer unkontrollierten Bewegung – durch welche Einwirkung auch immer – fort. Beschädige ein durch ein Auto angestoßener Anhänger während des Rollvorgangs ein Gebäude, verwirkliche sich daher eine typische Gefahrenquelle des Straßenverkehrs, so die Karlsruher Richter.
Die Haftung sei darüber hinaus auch nicht deshalb zu verneinen, weil der Schaden an dem Gebäude ebenso durch einen an der Straße stehenden Müllcontainer hätte verursacht werden können. Die Bestimmungen in § 7 bzw. § 19 StVG beschränkten die Einstandspflicht des Halters nicht auf fahrzeugspezifische Gefahren in dem Sinne, dass sie nur Schäden erfassten, die allein durch ein Fahrzeug oder einen Anhänger verursacht werden können, so der BGH.
Es handelt sich um die zweite BGH-Entscheidung zur Halterhaftung in diesem Monat. Erst kürzlich entschied der BGH über eine explodierende Batterie eines E-Rollers, jedoch verneinte er in diesem Fall die Haftung des Halters.
pab/LTO-Redaktion
Autounfall löst Kettenreaktion aus: . In: Legal Tribune Online, 16.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51323 (abgerufen am: 12.10.2024 )
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