Die Verwertung von EncroChat-Daten für Drogendelikte ist laut BGH auch nach Einführung des Cannabis-Gesetzes möglich. Es komme auf die Rechtslage bei Datenanforderung an. Damit ist die umstrittene Rechtslage nun höchstrichterlich geklärt.
Die Frage der Verwertbarkeit von Daten aus dem Krypto-Messengerdienst EncroChat in Strafverfahren beschäftigt die Gerichte seit Jahren. Nach der Teillegalisierung von Cannabis im April 2024 hatten mehrere Gerichte diese Daten für nicht mehr verwertbar erachtet, weil die Taten nun anders eingestuft wurden. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte jetzt aber klar, dass es nicht auf eine neue Bewertung der Tat ankommt. Auch wenn diese sich im Laufe des Verfahrens ändere, führe dies nicht dazu, dass einmal rechtmäßig erlangte Daten unverwertbar werden, so der BGH (Urt. v. 30.01.2025, Az. 5 StR 528/24).
Der 5. Strafsenat des BGH hatte auf die Revision der Staatsanwaltschaft ein Urteil des Landgerichts (LG) Berlin I aufgehoben, soweit dieses den Angeklagten freigesprochen hatte. Das LG hatte den Angeklagten Anfang Mai 2024 wegen Geschäften mit Ecstasy-Tabletten und Kokain zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, ihn allerdings hinsichtlich des Handels mit Cannabis-Produkten freigesprochen. Der Freispruch wurde damit begründet, dass sich diese Anklagevorwürfe auf EncroChat-Daten stützten, das LG diese Daten aber für unverwertbar hielt. Das sieht der BGH anders.
Online-Durchsuchungen für neue Cannabis-Delikte nicht mehr zulässig
Die Daten waren 2020 in großem Umfang in Frankreich erhoben und auf der Grundlage einer Europäischen Ermittlungsanordnung an deutsche Behörden weitergeleitet worden. Die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten waren bis zum Inkrafttreten des Cannabisgesetzes im April 2024 nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) als Verbrechen strafbar. Seit der Gesetzesänderung stellen sie allerdings nach § 34 Abs. 1 und 3 Konsumcannabisgesetz
(KCanG) lediglich Vergehen dar, die milder bestraft werden können. Da in solchen Fällen gemäß § 2 Abs. 3 Strafgesetzbuch (StGB) grundsätzlich das mildere Recht Vorrang hat, ist für vor dem 1. April 2024 begangene Fälle des Cannabishandelns meist das neue Recht als das mildere Recht anzuwenden.
Den Freispruch hatte das LG damit begründet, dass die EncroChat-Daten wegen der Gesetzesänderung nicht mehr als Beweismittel verwertbar seien. So gravierende Ermittlungsmaßnahmen wie eine Online-Durchsuchung seien schließlich nur in den in § 100b Strafprozessordnung (StPO) genannten Fällen zulässig, wozu Taten wie diese nach der neuen Gesetzeslage nicht mehr zählten.
Der BGH hatte in seiner Grundsatzentscheidung vom 2. März 2022 zwar die Verwertbarkeit von EncoChat-Daten bei einer Verurteilung wegen erheblichen Drogenhandelns nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG bejaht und unter anderem damit begründet, dass dieser als besonders schwere Straftat im Katalog des § 100b StPO enthalten sei. Für Straftaten nach § 34 Abs. 1 und 3 KCanG ist das aber gerade nicht (mehr) der Fall. Daraus hatten einige Oberlandesgerichte abgeleitet, dass die EncoChat-Daten nunmehr in Fällen des Cannabishandelns unverwertbar seien. Auf eine solche Entscheidung hatte sich auch das LG bei seinem Freispruch bezogen.
Gesetzesänderung ändert an der Verwertbarkeit nichts
Der BGH hat nun jedoch entschieden, dass die genannte Gesetzesänderung in solchen Fällen der Verwertbarkeit der EncroChat-Daten nicht entgegensteht. Das begründet der Senat damit, dass Rechtsgrundlage für die Verwertung solcher Daten in der Hauptverhandlung § 261 StPO – der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung – sei. Die Verwertung der Daten richte sich nach deutschem Recht, auch wenn sie – wie hier von Frankreich – von anderen europäischen Staaten zur Verfügung gestellt wurden.
Ausdrückliche Verwendungsbeschränkungen für solche Daten gebe es im nationalen Recht nicht. Außerhalb von gesetzlichen Beweisverwertungsverboten kämen Verwertungsverbote nur in Ausnahmefällen in Betracht – die Daten müssten dann unrechtmäßig erlangt worden sein. Das sei aber vorliegend nicht der Fall, so der BGH. Die Europäische Ermittlungsanordnung als Grundlage für die Übermittlung der Daten sei schließlich rechtmäßig gewesen.
Der BGH bezieht sich dabei unter anderem auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des BVerfG zur Verwertung von EncroChat-Daten.
Es kommt auf den Zeitpunkt der Datenanforderung an
Es kommt danach also auf die Rechtmäßigkeit der Datenübermittlung an, wobei der Rechtszustand zum Zeitpunkt der Datenanforderung maßgeblich ist. Im Jahr 2020 – als die Daten nach Deutschland übermittelt wurden – waren die angeklagten Taten noch als Verbrechen nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbar. Die Daten wurden also rechtmäßig von Frankreich nach Deutschland übermittelt.
Laut BGH gilt in solchen Fällen schon nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass eine Änderung der rechtlichen Bewertung einer Tat im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht zu einer Unverwertbarkeit rechtmäßig erlangter Daten führt. Soweit der 5. Senat seine Rechtsprechung geändert habe, sei er hierzu aufgrund der Vorgaben des EuGH aufgerufen, so der BGH weiter.
Die Sache muss nun, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist, vom LG neu verhandelt und entschieden werden.
mh/LTO-Redaktion mit Materialien der dpa
BGH entscheidet erneut: . In: Legal Tribune Online, 31.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56487 (abgerufen am: 17.03.2025 )
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