Kann ein Oberleutnant der afghanischen Armee für Verbrechen während des Krieges von deutschen Strafgerichten verurteilt werden, oder genießt er Immunität? Der BGH will das bald klären.
Der Bundesgerichtshof (BGH) will sich kommende Woche in einem Fall aus Afghanistan grundsätzlicher zur Strafverfolgung ausländischer Kriegsverbrechen in Deutschland äußern. Das kündigten die obersten Strafrichter in Karlsruhe am Dienstag an.
Konkret geht es um einen früheren Oberleutnant der afghanischen Armee, der drei gefangene Taliban-Kämpfer im Verhör misshandelt und ihnen Stromschläge angedroht haben soll. Außerdem soll er veranlasst haben, dass der Leichnam eines Taliban-Kommandeurs öffentlich aufgehängt wurde. Das Oberlandesgericht München hatte den Mann im Juli 2019 wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung und in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchter Nötigung, und wegen eines Kriegsverbrechens gegen Personen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe hat es zur Bewährung ausgesetzt.
Dagegen hat nicht nur der Angeklagte, sondern auch der Generalbundesanwalt Revision eingelegt. Dieser erstrebt in Bezug auf die Behandlung der Gefangenen eine Verurteilung auch wegen des Kriegsverbrechens der Folter und im Übrigen die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
Wie der BGH mitteilte, stellt sich den Richtern die grundsätzliche Frage, ob ein Angehöriger einer ausländischen Armee von deutschen Strafgerichten überhaupt verurteilt werden kann oder möglicherweise Immunität genießt. "Insofern ist für die Verfolgung von Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch über den Einzelfall hinaus bedeutsam, inwieweit nach dem Völkergewohnheitsrecht der strafrechtlichen Ahndung von Handlungen, die ein Angeklagter in Ausübung ausländischer hoheitlicher Tätigkeit vornahm, durch ein inländisches Gericht der Grundsatz der funktionellen Immunität entgegensteht", so der BGH. Der zuständige Senat erwägt demnach auch, die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Der Mann war im Oktober 2018 im oberbayerischen Landkreis Ebersberg festgenommen worden. Der BGH will seine Entscheidung am 28. Januar verkünden (Az. 3 StR 564/19).
dpa/acr/LTO-Redaktion
Immunität für Armeeangehörige?: . In: Legal Tribune Online, 19.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44029 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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