Druckversion
Freitag, 1.12.2023, 04:15 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/bgh-3str4020-lg-koblenz-2090js297521012kls-staatsschutz-rechtsextrem-fremdenfeindlich-menschenverachtend-rassistisch-strafe-strafschaerfung-46-stgb/
Fenster schließen
Artikel drucken
42562

BGH zur Strafzumessung: Frem­den­feind­lich­keit muss Strafe schärfen

21.08.2020

Vermummte Personen bei einem Umzug mit Pyrotechnik

(c) karrastock/stock.adobe.com

Er sprühte Parolen an Schulen und marschierte mit anderen in schwarz und Militärformation durch die Stadt. Bestraft hat das LG Koblenz den Rechtsradikalen trotzdem nicht. Der BGH beanstandet das als "durchgreifend rechtsfehlerhaft". 

Anzeige

Rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe und Ziele sind regelmäßig strafzumessungsrechtlich beachtlich. Und zwar auch bei Taten, die bereits vor dem Inkrafttreten von § 46 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) begangen wurden. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag (Urt. v. 20.8.2020, Az. 3 StR 40/20). Die Neuregelung der Strafzumessungsnorm im Jahr 2015 hatte lediglich klarstellende Bedeutung, urteilte der 3. Strafsenat. 

In einer Sommernacht im Juli 2011 hatten der Angeklagten und andere Rechte zunächst mehrere Schulgebäude mit Graffitiparolen wie "Hitzefrei statt Völkerbrei", "Die Deutsche Jugend wehrt sich" und "Bad G. bleibt deutsch" besprüht. Einige Monate später, im November 2011, beteiligten sie sich am so genannten "Marsch der Unsterblichen", einer Aktionsform der rechten Szene. Sie trugen Banner mit Aufschriften wie "Volkstod stoppen" und marschierten mit Fackeln durch die Innenstadt, Parolen wie "frei, sozial und national" skandierend. Die Marschierenden waren alle schwarz gekleidet und trugen weiße Gesichtsmasken. In in ihrer Militärformation erweckten sie Erinnerungen an Fackelzüge des "Dritten Reichs". 

Das stellte auch das Landgericht Koblenz so festgestellt. Die dortige Staatsschutzkammer verurteilte die Männer zwar wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung sowie Verstoßes gegen das Uniformverbot nach dem Versammlungsgesetz. Von einer Strafe sah die Kammer aber ab (Urt. v. 16.7.2019, Az. 2090 Js 29752/10 12 KLs), ein Verfahren wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung war bereits eingestellt.

Diese Strafzumessung hat der u.a. für Staatsschutzssachen zuständige 3. Strafsenat des BGH als "durchgreifend rechtsfehlerhaft" beanstandet. Das LG habe keine Gesamtabwägung der strafzumessungsrelevanten Umstände vorgenommen, sondern bloß bloß strafmildernde Gesichtspunkte berücksichtigt, insbesondere die Belastung des Angeklagten wegen der langen Verfahrensdauer und der mit der Untersuchungshaft verbundenen besonderen Nachteile. Strafschärfend hätte das Landgericht aber, so der BGH, berücksichtigen müssen, dass der Angeklagte eine fremdenfeindliche Tatmotivation hatte, die in der Tat zum Ausdruck kam.

Dass rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe und Ziele bei der Strafzumessung zu berücksichtigen seien, wurde zwar erst im Jahr 2015 in 46 Abs. 2 StGB ausdrücklich geregelt. Es gelte aber auch für Taten, die bereits vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung begangen wurden, da die Änderung lediglich klarstellende Bedeutung gehabt habe, so der BGH. Das LG muss über die Rechtsfolgen nun neu entscheiden.

ast/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

BGH zur Strafzumessung: Fremdenfeindlichkeit muss Strafe schärfen . In: Legal Tribune Online, 21.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42562/ (abgerufen am: 03.12.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Strafrecht
    • Rassismus
    • Rechtsextremismus
    • Revision (Strafrecht)
    • Straftaten
    • Strafverfahren
    • Strafzumessung
  • Gerichte
    • Bundesgerichtshof (BGH)
    • Landgericht Koblenz
30.11.2023
Rechtsextremismus

OLG verurteilt Mitglieder der "Gruppe S.":

Mehr als "Sprüche klop­fende Wich­tig­tuer"

Erst kam es wegen Corona zu Verzögerungen, dann starb einer der Angeklagten: Nach mehr als 170 Verhandlungstagen ist vor dem OLG Stuttgart der Mammutprozess gegen Mitglieder der rechtsextremen "Gruppe S." zu Ende gegangen.

Artikel lesen
27.11.2023
Cannabis-Legalisierung

Ampel-Fraktionen einigen sich auf geändertes Cannabisgesetz:

Ent­kri­mi­na­li­sie­rung zum 1. April 2024

Kleinere Konsumverbotszonen, größere erlaubte Menge beim Eigenanbau, dafür aber auch Strafverschärfungen, wenn es um Minderjährige geht: Die Ampel hat sich auf diverse Änderungen des Cannabisgesetzes verständigt.

Artikel lesen
03.12.2023
Mord

Übersichten, Pläne, Aufzeichnungen:

Kar­to­grafie des Rechts

Die bekannten Stolpersteine, Stadtforschungsprojekte oder die neuen "Medieval Murder Maps": Recht und Unrecht füllen Karten. Letztere verraten eine ganze Menge über unsere Geschichte, sofern man sich die Zeit nimmt, sie zu studieren.

Artikel lesen
02.12.2023
Notare

Berufsziel Notar:

Wie Jura­stu­die­rende die Wei­chen stellen können

Wer mit dem Gedanken spielt, später im Notarberuf zu arbeiten, kann schon im Studium darauf hinarbeiten. Neben den klassischen Rechtsgebieten wie Erbrecht und Gesellschaftsrecht sollte man sich auch für wirtschaftliche Fragen interessieren.

Artikel lesen
01.12.2023
Gil Ofarim

Resümee zum Prozess gegen Gil Ofarim:

Zer­ris­senes Bild und neue Fragen

Ofarim hat mit seinem Geständnis den Prozess beendet. Er hinterlässt ein zerrissenes Bild, tiefes Bestürzen und unbeantwortete Fragen, die neue Spekulationen ankurbeln. Linda Pfleger hat den gesamten Prozess beobachtet und zieht ein Resümee.

Artikel lesen
01.12.2023
Hintergründe

Nachahmung und Täuschung:

Ist Blu­esky der Platt­form X zum Ver­wech­seln ähn­lich?

Statt blauem Vogel nun blauer Himmel? Bluesky gilt als neuer aussichtsreicher Nachfolger von Twitter bzw. Elon Musks "X". Nicht zufällig fallen Ähnlichkeiten auf. Wieviel Altbekanntes darf in einer neuen Social-Media-Plattform stecken?

Artikel lesen
TopJOBS
Voll­ju­ris­ten (m/w/d) – Ih­re Zu­kunft in der hes­si­schen Jus­tiz

Hessisches Ministerium der Justiz , Wies­ba­den

Re­fe­ren­da­re | Frank­furt

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern , Frank­furt am Main

Geld ver­die­nen als Te­le­fon­an­walt / Te­le­fon­an­wäl­tin

DAHAG Rechtsservices AG , 100% Re­mo­te

Rechts­an­walt (m/w/d) - Me­xi­ko

Rödl & Partner

Rich­ter:in­nen (w/m/d) im Rich­ter­ver­hält­nis auf Pro­be (Voll­ju­rist:in­nen...

Freie Hansestadt Bremen , Bre­men

Re­fe­ren­da­re | Mün­chen

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern , Mün­chen

Staats­an­wält:in­nen (m/w/d) im Rich­ter­ver­hält­nis auf Pro­be (Be­sol­dungs­grup­pe...

Freie Hansestadt Bremen , Bre­men

Rechts­an­wäl­te (m/w/d) als An­ge­s­tell­te oder in frei­er Mit­ar­beit

RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , 100% Re­mo­te

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
Montagskaffee: Strategisches Selbstmarketing beim Networking?

04.12.2023

RA-MICRO Basiswissen – der einfache Einstieg in RA-MICRO

04.12.2023

Mandantenakquise mit dem Deutschen Anwaltssuchdienst

04.12.2023

GvW DigiTalk: EU Data Act

05.12.2023

Essentials – Die moderne Anwaltskanzlei

05.12.2023

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH