Druckversion
Donnerstag, 13.11.2025, 17:01 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/bgh-3str4020-lg-koblenz-2090js297521012kls-staatsschutz-rechtsextrem-fremdenfeindlich-menschenverachtend-rassistisch-strafe-strafschaerfung-46-stgb
Fenster schließen
Artikel drucken
42562

BGH zur Strafzumessung: Frem­den­feind­lich­keit muss Strafe schärfen

21.08.2020

Vermummte Personen bei einem Umzug mit Pyrotechnik

(c) karrastock/stock.adobe.com

Er sprühte Parolen an Schulen und marschierte mit anderen in schwarz und Militärformation durch die Stadt. Bestraft hat das LG Koblenz den Rechtsradikalen trotzdem nicht. Der BGH beanstandet das als "durchgreifend rechtsfehlerhaft". 

Anzeige

Rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe und Ziele sind regelmäßig strafzumessungsrechtlich beachtlich. Und zwar auch bei Taten, die bereits vor dem Inkrafttreten von § 46 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) begangen wurden. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag (Urt. v. 20.8.2020, Az. 3 StR 40/20). Die Neuregelung der Strafzumessungsnorm im Jahr 2015 hatte lediglich klarstellende Bedeutung, urteilte der 3. Strafsenat. 

In einer Sommernacht im Juli 2011 hatten der Angeklagten und andere Rechte zunächst mehrere Schulgebäude mit Graffitiparolen wie "Hitzefrei statt Völkerbrei", "Die Deutsche Jugend wehrt sich" und "Bad G. bleibt deutsch" besprüht. Einige Monate später, im November 2011, beteiligten sie sich am so genannten "Marsch der Unsterblichen", einer Aktionsform der rechten Szene. Sie trugen Banner mit Aufschriften wie "Volkstod stoppen" und marschierten mit Fackeln durch die Innenstadt, Parolen wie "frei, sozial und national" skandierend. Die Marschierenden waren alle schwarz gekleidet und trugen weiße Gesichtsmasken. In in ihrer Militärformation erweckten sie Erinnerungen an Fackelzüge des "Dritten Reichs". 

Das stellte auch das Landgericht Koblenz so festgestellt. Die dortige Staatsschutzkammer verurteilte die Männer zwar wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung sowie Verstoßes gegen das Uniformverbot nach dem Versammlungsgesetz. Von einer Strafe sah die Kammer aber ab (Urt. v. 16.7.2019, Az. 2090 Js 29752/10 12 KLs), ein Verfahren wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung war bereits eingestellt.

Diese Strafzumessung hat der u.a. für Staatsschutzssachen zuständige 3. Strafsenat des BGH als "durchgreifend rechtsfehlerhaft" beanstandet. Das LG habe keine Gesamtabwägung der strafzumessungsrelevanten Umstände vorgenommen, sondern bloß bloß strafmildernde Gesichtspunkte berücksichtigt, insbesondere die Belastung des Angeklagten wegen der langen Verfahrensdauer und der mit der Untersuchungshaft verbundenen besonderen Nachteile. Strafschärfend hätte das Landgericht aber, so der BGH, berücksichtigen müssen, dass der Angeklagte eine fremdenfeindliche Tatmotivation hatte, die in der Tat zum Ausdruck kam.

Dass rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe und Ziele bei der Strafzumessung zu berücksichtigen seien, wurde zwar erst im Jahr 2015 in 46 Abs. 2 StGB ausdrücklich geregelt. Es gelte aber auch für Taten, die bereits vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung begangen wurden, da die Änderung lediglich klarstellende Bedeutung gehabt habe, so der BGH. Das LG muss über die Rechtsfolgen nun neu entscheiden.

ast/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

BGH zur Strafzumessung: . In: Legal Tribune Online, 21.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42562 (abgerufen am: 13.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Strafrecht
    • Rassismus
    • Rechtsextremismus
    • Revision (Strafrecht)
    • Straftaten
    • Strafverfahren
    • Strafzumessung
  • Gerichte
    • Bundesgerichtshof (BGH)
    • Landgericht Koblenz
Versammlung der Piusbruderschaft. 13.11.2025
Versammlungen

BVerfG zu Grenzen der Versammlungsfreiheit:

Gegen­de­mon­s­t­ra­tion ja – Voll­b­lo­c­kade nein

Eine Sitzblockade als geschützte Versammlung? Ja – aber nicht, wenn sie eine andere Versammlung komplett lahmlegt. Das BVerfG hält die Verurteilung eines Gegendemonstranten zu einer Geldstrafe für verfassungsgemäß.

Artikel lesen
Christina Block sieht in den Verhandlungssaal 12.11.2025
Prominente

Tonaufnahmen der Block-Kinder aus der Entführungsnacht:

"You're going to your Mama!"

Das Gericht gibt bekannt, warum die Befangenheitsanträge zurückgewiesen wurden. Danach erschüttern persönliche Audioaufnahmen aus der Silvesternacht 2023/24 den Saal. Der 22. Verhandlungstag im Block-Prozess hatte es in sich.

Artikel lesen
Zwei Polizisten von hinten 12.11.2025
Beamte

BGH zum Begriff der "anderen Justizbehörde":

Dienst­herr bekommt keine Ein­sicht in Akten aus dem Ermitt­lungs­ver­fahren

Wegen Missbrauchsvorwürfen liefen sowohl ein Ermittlungsverfahren als auch ein Disziplinarverfahren gegen einen Polizisten. Doch Einsicht in die Akten der Staatsanwaltschaft bekommt der Dienstherr nicht ohne Weiteres, so der BGH.

Artikel lesen
Christina Block im Vordergrund, Gerhard Delling im Hintergrund 11.11.2025
Prominente

Block-Prozess vorm Landgericht Hamburg:

Warum die Vor­sit­zende der Ste­ak­house-Erbin mit Haft­be­fehl drohte

Im Block-Prozess dreht sich an Tag 21 alles um die mysteriöse israelische Sicherheitsfirma, massive Zweifel an IT-Warnungen und eine scharfe Ansage der Vorsitzenden: Christina Block geht in Haft, wenn sie weiter Kontakt zu Zeugen hat.

Artikel lesen
Itamar Ben-Gvir, Israels Minister für nationale Sicherheit, in der Knesset am 13. Oktober 2025 11.11.2025
Israel

Terrorismus gegen Israelis:

Gesetz zu Todes­strafe nimmt erste Hürde in der Knesset

Wer in Israel tötet, um dem Staat und "der Wiedergeburt des jüdischen Volkes" zu schaden, soll künftig mit dem Tod bestraft werden können. Das sieht ein umstrittener Gesetzentwurf vor, der in erster Lesung eine große Mehrheit bekam.

Artikel lesen
Ein Schild „Sächsisches Oberverwaltungsgericht“ steht vor dem Gebäude auf dem Gelände der Ortenburg 10.11.2025
Referendariat

Sächsisches OVG verpflichtet Freistaat:

Bewerber mit rechts­ex­t­remer Ver­gan­gen­heit darf Jurist werden

Das sächsische OVG hat entschieden, dass ein Bewerber trotz früherer Aktivitäten in rechtsextremen Organisationen vorläufig zum juristischen Vorbereitungsdienst zugelassen werden muss. Ohne strafbares Verhalten kein Ausschluss.

Artikel lesen
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat
Voll­ju­ris­ten (m/w/d) – Ih­re Zu­kunft in der hes­si­schen Jus­tiz

Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat , Wies­ba­den

Logo von Clifford Chance Partnerschaft mbB
BACKS­TA­GE - Das Pro­gramm für Prak­ti­kant*In­nen am Stand­ort Frank­furt...

Clifford Chance Partnerschaft mbB , Frank­furt am Main

Logo von Oberlandesgericht Celle
Rich­ter/-in (w/m/d) bzw. Staats­an­walt / -an­wäl­tin (w/m/d) im Be­zirk des...

Oberlandesgericht Celle

Logo von Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg
Voll­ju­rist:in­nen (m/w/d) - Trainee­pro­gramm für an­ge­hen­de...

Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg , Ham­burg

Logo von Oberlandesgericht Celle
Rich­ter/-in (w/m/d) bzw. Staats­an­walt / -an­wäl­tin (w/m/d) im Be­zirk des...

Oberlandesgericht Celle , Han­no­ver

Logo von FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG
Stu­den­ti­sche Aus­hil­fe (m/w/d)

FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG , Ham­burg

Logo von Oberlandesgericht Celle
Rich­ter/-in (w/m/d) bzw. Staats­an­walt / -an­wäl­tin (w/m/d) im Be­zirk des...

Oberlandesgericht Celle , Sta­de

Logo von REDEKER SELLNER DAHS
Re­fe­ren­da­rin/​Re­fe­ren­dar (m/​w/​d) Straf­recht

REDEKER SELLNER DAHS , Bonn

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Logo von GvW Graf von Westphalen
GvW-Probeexamen in Kooperation mit der JuS in Bonn

14.11.2025, Bonn

Crossing Borders – Navigating Transnational White-Collar Investigations and Criminal Proceedings

14.11.2025, Hamburg

Logo von ARQIS
5th ARQIS Innovation Day

13.11.2025, Düsseldorf

Logo von Hagen Law School in der iuria GmbH
Fortbildung Bank- und Kapitalmarktrecht im Selbststudium/ online

14.11.2025

Logo von Linklaters
Experience Private Equity – M&A Workshop @Linklaters

05.12.2025, Frankfurt am Main

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH