BGH hält richterlichen Hinweis für unnötig: Schwere der Schuld liegt bei kalt­blü­tigem Mord nahe

von Luisa Berger

25.11.2024

Ein Mann tötete einen Freund hinterrücks aus Habgier und zerstückelte dessen Leiche. Das Landgericht stellte die besondere Schwere der Schuld fest, ohne den Angeklagten zuvor auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Zu recht, sagt der BGH.

Ein Gericht muss nicht explizit darauf hinweisen, dass es die besondere Schwere der Schuld feststellen wird. Bei der Anklage wegen eines brutalen Mordes sei diese Feststellung für den Angeklagten ohnehin nicht überraschend, entschied der Bundesgerichtshof (BGH). Er verwarf die Revision eines Mannes, der darin einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren sah (Beschl. v. 11.09.2024, Az. 3 StR 109/24). Zugleich bestätigte der 3. Strafsenat damit eine Verurteilung des Mannes wegen Mordes in einem kaltblütigen Fall von Habgier.

Der finanziell klamme Mann hatte erfahren, dass einer seiner Freunde Bargeld im Wert von 18.000 Euro und Goldschmuck im Wert von mindestens 5.000 Euro bei sich zu Hause aufbewahrt. Er fasste den Plan, dadurch seine Geldsorgen zu beseitigen. Er holte seinen Freund vom Flughafen ab und begleitete ihn für ein gemeinsames Frühstück in dessen Wohnung. Dort bedrohte der Angeklagte ihn mit einer Pistole und forderte ihn auf, das Versteck der Wertgegenstände zu verraten. Der aber versuchte stattdessen zu fliehen. Das ließ der Angeklagte nicht zu, er erschoss seinen Freund von hinten.

Mit Hilfe einer weiteren Person zerstückelte er anschließend die Leiche, verpackte sie in mehrere Plastiktüten und vergrub sie in einem Wald. Um seine Spuren zu verwischen, setzte der Angeklagte später auch die Wohnung des Opfers in Brand.

Vertrauen auf maximal 15 Jahre?

Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen heimtückischen Mordes aus Habgier und wegen besonders schwerer Brandstiftung. Das Landgericht (LG) Kleve verurteilte den Mann zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Das Mordmerkmal der Heimtücke sah es nicht als verwirklicht an und wertete die Brandstiftung zudem als einfache statt als besonders schwere Tatbegehung. Auf diese rechtliche Beurteilung hatte in der Hauptverhandlung auch nach § 265 Strafprozessordnung hingewiesen. Demnach darf das Gericht nur dann von der Anklage abweichen, wenn es zuvor auf die Veränderung der rechtlichen Würdigung oder der Sachlage hingewiesen hat.

Anders ging das LG in einem Punkt vor, der die Folgen der Verurteilung betraf: Es stellte die besondere Schwere der Schuld fest. Davon war bis zur Urteilsverkündung nicht die Rede. Weder wurde in der Anklage, durch den Richter oder seitens der Staatsanwaltschaft oder der Nebenklägervertreter in deren Plädoyers darauf hingewiesen.

Der Angeklagte war nun der Meinung, das Gericht hätte ihn auf diese Möglichkeit nach § 265 StPO aufmerksam machen müssen. Denn nur dann hätte er sich angemessen verteidigen können. So habe er darauf vertraut, dass die besonders schwere Schuld nicht festgestellt werden würde und somit auch die Möglichkeit der Aussetzung einer Reststrafe zur Bewährung nach 15 Jahren noch möglich bleibe. Wird die besondere Schwere der Schuld festgestellt, bleibt der lebenslänglich Verurteilte meist länger als 15 Jahre in Haft. Das Interesse der Allgemeinheit an einer Verlängerung der Haftdauer wird zwar auch dann immer wieder evaluiert, eine Obergrenze existiert dabei allerdings nicht.

Den BGH überzeugte das jedoch nicht. Das LG hat nach Auffassung der Karlsruher Richter die richterliche Hinweispflicht nicht verletzt. § 265 Abs. 1 StPO sei auf diesen Fall bereits dem Wortlaut nach nicht anwendbar. Der Angeklagte war nicht auf Grund eines "anderen Strafgesetzes" verurteilt worden. "Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld ist systematisch kein Teil der Entscheidung zu Schuld- und Strafausspruch", so der BGH. Sie diene nicht der Bemessung der Sanktion, sondern vielmehr der Vorbereitung einer Entscheidung über die mögliche Aussetzung ihrer weiteren Vollstreckung.

BGH: Feststellung der Schuldschwere konnte nicht überraschen

Auch § 265 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 StPO greift hier nach Auffassung des 3. Strafsenats nicht ein. Danach muss auch dann ein Hinweis erfolgen, "wenn sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen". Hierbei gehe es insbesondere um Qualifikationen und Regelbeispiele für besonders schwere Fälle, die sich erst im Laufe des Verfahren ergeben, so der BGH, nicht aber um den Ausspruch der besonders schweren Schuld. 

Auch § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO konnte dem Angeklagten in diesem Fall nicht helfen. Der sieht einen richterlichen Hinweis bei Veränderung der Sachlage vor, wenn "dies zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist". Vorliegend sei dies nicht der Fall. Auch eine analoge Anwendung komme mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht.

Letztlich stellte der BGH noch klar, dass die Feststellung der besonderen Schuldschwere für den Angeklagten wohl kaum überraschend gewesen sei. "Ihm ist in der Anklage die Erfüllung zweier Mordmerkmale sowie die Begehung eines weiteren tatmehrheitlich begangenen Verbrechens zur Last gelegt worden. Bereits hierdurch war für den verteidigten Angeklagten erkennbar, dass eine Verurteilung wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe konkret drohte und das Gericht daher auch eine Entscheidung über die besondere Schwere der Schuld zu treffen hatte." Der Angeklagte habe daher nicht darauf vertrauen können, dass die besonders schwere Schuld nicht mehr festgestellt werden würde.

Zitiervorschlag

BGH hält richterlichen Hinweis für unnötig: . In: Legal Tribune Online, 25.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55946 (abgerufen am: 20.01.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen