BFH fingiert deutschen Wohnsitz: Pol­ni­sche Mutter kann Kin­der­geld bean­spru­chen

08.06.2016

Kindergeldberechtigt ist nur der Elternteil, bei dem das Kind wohnt. Auch, wenn er im EU-Ausland lebt und die Eltern geschieden sind, entschied der BFH. Die Klage eines deutschen Vaters wurde daher abgewiesen.

Anspruch auf Kindergeld kann nur derjenige Elternteil haben, bei dem das Kind wohnt. Dabei kommt es allerdings nicht darauf an, ob der Wohnsitz innerhalb von Deutschland liegt, wie aus einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) hervorgeht (Urt. v. 04.02.2016, Az. III R 17/13).

Kindergeld erhält gemäß § 62 Einkommensteuergesetz (EStG) grundsätzlich nur, wer seinen Wohnsitz in Deutschland hat oder einkommensteuerpflichtig ist. Dennoch wiesen die Richter die Klage eines deutschen Vaters ab, der Kindergeld für seinen Sohn beantragt hatte, der mit seiner polnischen Mutter in Polen lebt. Wie der BFH betonte, könne daher nur die Mutter Kindergeld beanspruchen - obwohl sie selbst nicht in Deutschland lebt. Möglich wird dies durch die im EU-Recht verankerte Wohnsitzfiktion für Ansprüche auf Familienleistungen in grenzüberschreitenden Sachverhalten. Danach ist die gesamte Familie so zu behandeln, als würde sie in dem Mitgliedstaat wohnen, dessen Leistungen beansprucht wurden. Die Münchener Richter entschieden nun, dass dies auch für getrennt lebende Elternteile gelten müsse.

Zu dieser Entscheidung hatte den BFH der Europäische Gerichtshof (EuGH) geführt. Dort hatten die Finanzrichter per Vorabentscheidungsersuchen erfragt, ob die EU-Regelung tatsächlich in diesem weiten Sinne auszulegen sei. Im Oktober letzten Jahres entschied Luxemburg dann, dass die Wohnsitzfiktion auch zu einem Wechsel der persönlichen Anspruchsberechtigung von dem in Deutschland lebenden Elternteil zu dem im EU-Ausland lebenden anderen Elternteil führen kann. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der im EU-Ausland lebende Elternteil keinen Antrag auf deutsches Kindergeld gestellt hat.

Dementsprechend wies der BFH die Klage des Mannes ab. Es sei zu fingieren, dass die polnische Mutter mit ihrem Sohn in Deutschland lebe. Damit sei nur sie anspruchsberechtigt.

una/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BFH fingiert deutschen Wohnsitz: . In: Legal Tribune Online, 08.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19594 (abgerufen am: 04.12.2024 )

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