Ein Münchener Patentanwalt soll ein öffentlich-rechtliches Forschungsinstitut um einen dreistelligen Millionenbetrag geschröpft haben – letztendlich auf Kosten der Allgemeinheit.
Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, wäre es wohl einer der krassesten Fälle von Parteiverrat aller Zeiten: Ein Münchener Patentanwalt soll das Institut für Rundfunktechnik (IRT) geschröpft haben – um mehr als 100 Millionen Euro. Dazu soll er Erlöse aus Lizenzverträgen über Umwege viele Jahre lang auf sein eigenes Konto gelenkt haben.
Das IRT ist ein in München ansässiges Forschungsinstitut von ARD, ZDF, Deutschlandradio, Deutscher Welle, ORF und SRG, das im Bereich der Medien- und Kommunikationstechnologie tätig ist. Über die Jahre war es an der Erfindung bzw. Weiterentwicklung zahlreicher Technologien beteiligt, etwa im Bereich von Videotext, beim Blue-Screen-Verfahren (Aufnahme von Schauspielern vor einem blauen Hintergrund, um diese in andere Szenen verfrachten zu können) oder bei der MPEG-Audiocodierung, der Technik hinter den allseits bekannten Mp3-Dateien.
Die Rechtewahrnehmung aus seinen Patenten übertrug das IRT Mitte der 90-er Jahre an eine internationale Patentverwertungsgesellschaft. Für die Verträge mit dieser Gesellschaft war der Patentanwalt zuständig, der bereits seit den 70-er Jahren für das IRT tätig war. Dabei habe er "unter Ausnutzung seiner Verhandlungsposition" auch Verträge mit der Verwertungsgesellschaft geschlossen, über die ein Teil der Erlöse aus den Patenten letztlich an ihn weitergeleitet wurde, heißt es in einer Mitteilung des Bayerischen Rundfunks (BR). So habe die Verwertungsgesellschaft zwar "die Verwertungserträge über die Jahre hinweg kontinuierlich in erheblichem Umfang steigern" können – ein guter Teil dieser Erlöse floss aber wohl nicht an den IRT, sondern an dessen Anwalt.
Versagen bei der Aufsicht über die Patenteinnahmen?
Den Schaden, der auf diese Weise entstanden ist, beziffert der BR, der als örtliche öffentlich-rechtliche Sendeanstalt für die Angelegenheit zuständig ist, auf "mindestens 100 Millionen Euro". Wie es dazu kommen konnte, dass das Fehlen derartiger Summen jahrzehntelang unbemerkt blieb, und welche Stellen für die Kontrolle zuständig gewesen wären, wollte der BR auf Anfrage von LTO mit Hinweis auf das laufende Ermittlungsverfahren nicht beantworten.
Aufgefallen ist das Finanz-Leck dem Sender jedenfalls erst vor Kurzem; in der vergangenen Woche stellte er daraufhin Strafanzeige. Von da an ging es schnell: Die Staatsanwaltschaft München I hat bereits Gebäude durchsucht, das Landgericht hat einen Arrestbeschluss über das Vermögen des Anwalts und einen Haftbefehl erlassen; jedenfalls letzterer wurde auch bereits vollstreckt.
Der Verdacht gegen den Mann lautet auf Untreue und Bestechlichkeit, jeweils im besonders schweren Fall, sowie auf Parteiverrat – letzteres deshalb, weil er gegenüber der Patentverwertungsgesellschaft einerseits als Vertreter des IRT, andererseits als Vertreter einer deutschen Gesellschaft tätig geworden sein soll, deren Inhaber er zugleich war. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung soll ein Unternehmen des Anwalts zuletzt ein Eigenkapital von 80 bis 90 Millionen Euro ausgewiesen haben, so dass vorstellbar sei, dass ein guter Teil des illegal erlangten Geldes wiedererlangt werden könnte.
Das IRT ist als gemeinnütziges Institut nicht auf Gewinnerzielung gerichtet: Nach dem "Bericht über die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Rundfunkanstalten" der ARD beliefen sich die Kosten des Instituts 2015 und 2016 jeweils auf rund 22 Millionen Euro, die Eigenerträge auf gut 5 Millionen Euro. Die Differenz zahlen die Gesellschafter des IRT, also die an dem Institut beteiligten Rundfunkanstalten – und letztlich deren Beitragszahler.
Constantin Baron van Lijnden, Betrugsverdacht in Bayern: . In: Legal Tribune Online, 04.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22829 (abgerufen am: 12.10.2024 )
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