BayVGH zu Schengen: Grenz­kon­trolle zu Öst­er­reich war rechts­widrig

von Tanja Podolski

18.03.2025

Ein Völkerrechtler klagt erfolgreich gegen die Grenzkontrolle in einem Zug. Der BayVGH hat diese an der deutsch-österreichischen Grenze für rechtswidrig erklärt. Die Anordnung von Grenzkontrollen verstoße gegen den Schengener Grenzkodex.

Eine Kontrolle an der deutsch-österreichischen Grenze war rechtswidrig. Das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) entschieden (Urt. v. 18.03.2025, Az. 10 BV 23.700). Die Entscheidung betrifft konkret eine Personenkontrolle am 11. Juni 2022, nicht die allgemeine Rechtmäßigkeit von Binnengrenzkontrollen. Die Richter betonen aber die Notwendigkeit vom Vorliegen neuer Tatsachen, um Grenzkontrollen im Schengen-Raum zu begründen. Eine bloße Neubewertung einer unveränderten Sachlage genüge nicht, so das Gericht.

Bei der damaligen Personenkontrolle war die Bundespolizei an den Völkerrechtler Stefan Salomon geraten. Der ist Junior Professor für Europarecht an der Universität Amsterdam*, zuvor war er Lehrbeauftragter am Institut für Völkerrecht der Universität Graz und Gründer sowie Leiter der dortigen Klinik für Flüchtlingsrecht. Und er war bereits Kläger in einem Verfahren zu Grenzkontrollen in Österreich, das es bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) schaffte. Das Luxemburger Gericht entschied seinerzeit nach einer ähnlichen Maßnahme, dass Grenzkontrollen nicht ohne Weiteres eingeführt und verlängert werden dürfen (Urt. v. 26.04.2022, Rs. C-368/20).

Auch gegen die Kontrolle in Deutschland im Juni 2022 ging Salomon dann mit der Fortsetzungsfeststellungsklage vor, vertreten von Christoph Tometten von der Berliner Kanzlei Möckernkiez. Salomon hatte dargelegt, dass er aus beruflichen und privaten Gründen regelmäßig die deutsch-österreichische Grenze überquert – was für die Zulässigkeit der Klagen erheblich war. Denn es bedarf einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Wiederholungsgefahr der Kontrollen. Dies hatte das VG noch verneint, der BayVGH nahm dies nun an.

Begründung für Wiedereinführung reicht nicht aus

Auch in der Sache folgte der BayVGH der Argumentation des Klägers und stellte fest, dass die im ICE bei Passau durchgeführte Feststellung der Identität des Klägers rechtswidrig war. Offenbar sah das Gericht die damalige Begründung der wiedereingeführten Grenzkontrollen als nicht ausreichend an. Die Urteilsgründe liegen jedoch bisher nicht vor.

Salomon hatte dargelegt, dass die im Frühjahr 2022 erfolgte, erneute sechsmonatige Verlängerung der bereits 2019 eingeführten Kontrollen gegenüber der Europäischen Union nicht hinreichend mit einer neuen Sachlage begründet worden sei. Die Anordnung von Grenzkontrollen verstoße gegen den Schengener Grenzkodex und verletze seine europarechtliche Freizügigkeit. 

Die Revision ließ das Gericht nicht zu. Nach Zustellung der Urteilsgründe kann die Beklagte binnen eines Monats gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen. 

"Die Grenzkontrollen im Schengen-Raum müssen umgehend beendet werden", sagte Anwalt Tometten in Reaktion auf das Urteil. "Die Praxis der Bundesregierung, die Kontrollen immer wieder damit zu rechtfertigen, dass sie zur Abwehr migrationsbezogener Gefahren notwendig seien, ist mit den Vorgaben des EU-Rechts nicht vereinbar. Es war längst überfällig, dass ein deutsches Gericht dies feststellt", so Tometten gegenüber LTO.

Das Verwaltungsgericht (VG) München hatte als Vorinstanz die Klage noch als unzulässig abgewiesen, aber die Berufung zum BayVGH zugelassen. Zudem hatte das VG ein umfangreiches obiter dictum verfasst – also Rechtsausführungen, die über die Entscheidung in der Sache hinausgehen. Es machte dabei bereits deutlich, dass es wegen der EuGH-Rechtsprechung davon ausgehe, dass diese Grenzkontrolle bei Salomon gegen Art. 25 Abs. 4 des Schengener Grenzkodex (SGK) verstoßen haben.

*aktuelle Position ergänzt am 19.3.25, 9.06h

Zitiervorschlag

BayVGH zu Schengen: . In: Legal Tribune Online, 18.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56820 (abgerufen am: 26.04.2025 )

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