Bayrischer VerfGH zum Polizeiaufgabengesetz: Ums­trit­tene Gene­ral­klausel ist ver­fas­sungs­gemäß

von Tamara Wendrich, LL.M.

13.03.2025

Bayerns Polizeiaufgabengesetz enthält eine umstrittene Generalklausel. Die ist mit der bayrischen Landesverfassung vereinbar, hat der BayVerfGH nun entschieden – allerdings nur bei einschränkender Auslegung. 

Der Bayrische Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) hat entschieden, dass eine umstrittene Generalklausel im bayrischen Polizeiaufgabengesetz (PAG) nicht gegen die Landesverfassung verstößt (Az. Vf. 7-VII-18, Vf. 10-VIII-18). Das Urteil wurde mit Spannung erwartet, da die Vorschrift, um die es geht (Art. 11a PAG), seit ihrer Einführung 2021 umstritten ist. 

Juristisch überprüfen lassen haben sie die Landtagsfraktionen von Grünen und SPD mittels einer sogenannten Meinungsverschiedenheit nach Art. 75 Abs. 3 Verfassung des Freistaates Bayern (BV). Im Wege der Popularklage (Art. 55 Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof) schlossen sich 21 weitere Kläger an.

Im Kern ging es in dem Verfahren um die Verfassungsmäßigkeit des Begriffs der "drohenden Gefahr" in Art. 11a PAG. Nach Abs. 1 dieser Generalklausel kann die Polizei notwendige Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung oder zur Verhinderung der Entstehung einer (konkreten) Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut treffen. Das aber nur, wenn eine "drohende Gefahr" vorliegt, also in absehbarer Zeit Angriffe von erheblicher Intensität oder Auswirkung zu erwarten sind. Was bedeutende Rechtsgüter sind, legt Abs. 2 abschließend fest. 

SPD und Grüne: zu unbestimmt, zu weitreichend

Die Antragsteller und Kläger trugen vor, die Vorschrift verstoße gegen das in Art. 3 Abs. 1 BV verankerte Rechtsstaatsprinzip.

Der Begriff der drohenden Gefahr sei zu unbestimmt. Dass in Abs. 2 Rechtsgüter aufgelistet sind, zu deren Schutz Maßnahmen bei drohender Gefahr ergriffen werden dürfen, konkretisiere die Voraussetzungen nicht ausreichend. Auch die aufgezählten Rechtsgüter selbst seien teilweise nicht hinreichend verlässlich bestimmbar. 

Daneben ist die Vorschrift aus Sicht der Antragsteller auch unverhältnismäßig. Derart weitreichende polizeiliche Eingriffsbefugnisse – insbesondere Gefahrerforschungseingriffe, also solche, die nicht der Gefahrenbeseitigung, sondern der Sachverhaltsaufklärung dienen – dürften nur zur Abwehr drohender terroristischer Gefahren eröffnet werden. Auch fehle es an einer Zuordnung der drohenden Gefahr zu einem bestimmten Adressaten. Der Gesetzgeber habe die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Urteil zum Bundeskriminalbeamtengesetz aufgestellten Maßstäbe beim Absenken einer Eingriffsschwelle missachtet. Damals hatte das BVerfG entschieden, dass das heimliche Infiltrieren eines informationstechnischen Systems verfassungsrechtlich nur zulässig sei, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr ein überragend wichtiges Rechtsgut vorliegen. 

BayVerfGH: Norm verfassungskonform auslegen

Dieser Kritik folgte der Gerichtshof aber nicht. Vielmehr schloss er sich der Argumentation der Antragsgegner und Beklagten an: Der Bayrische Landtag, die Bayrische Staatsregierung und die CSU-Landtagsfraktion halten die Norm nämlich für verfassungskonform. 

Insbesondere seien die Maßstäbe des BVerfG sehr wohl berücksichtigt worden, da die Eingriffsschwelle nicht nur zur Verhütung terroristischer Gefahren, sondern für den Schutz eines hinreichend qualifizierten Rechtsguts allgemein herabgesetzt werden dürfe. Art. 11a PAG ist laut BayVerfGH zwar auslegungsbedürftig, aber mit den üblichen juristischen Methoden auch auslegungsfähig. Die Norm sei für eine Generalklausel überdurchschnittlich detailliert und präzise, die drohende Gefahr sogar legaldefiniert.

Die Regelung verstoße auch nicht gegen das Übermaßverbot, so der Gerichtshof. Polizeiliche Eingriffe seien nur bei gravierenden Gefahrenlagen und Rechtsgutsgefährdungen möglich, die mit Terrorgefahren vergleichbar seien. 

Verfassungsmäßigkeit ja, aber eingeschränkt

Im Ergebnis hält der BayVerfGH den Begriff der drohenden Gefahr damit für verfassungsgemäß – allerdings unter der Maßgabe, dass die Norm in gleich dreierlei Hinsicht einschränkend auszulegen sei. Nur so werde der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt. 

Erstens könne ein "Angriff von erheblicher Intensität oder Auswirkung" nur ein terroristischer oder vergleichbar schwerer Angriff sein. Zweitens können laut Gerichtshof schwere Grundrechtseingriffe nur ausnahmsweise so lange auf Art. 11a PAG gestützt werden, bis der Gesetzgeber spezifische Eingriffsbefugnisse für entsprechende vorher noch nicht bedachte Gefährdungslagen schaffe. Und drittens seien "Maßnahmen" im Sinne der Norm nur solche, die nicht tief in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen. Das kann der Fall sein, wenn Bürger durch staatliche Maßnahmen gezwungen werden, ihre persönlichen Daten offenzulegen.

Einen Verstoß gegen das strenge Bestimmtheitsgebot lehnte das Gericht ab. Die Vorschrift erfülle den geforderten Standard und gewährleiste die notwendige Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit, die eine Generalklausel braucht.

mit Material der dpa

Zitiervorschlag

Bayrischer VerfGH zum Polizeiaufgabengesetz: . In: Legal Tribune Online, 13.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56793 (abgerufen am: 18.03.2025 )

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