Druckversion
Monday, 27.06.2022, 08:24 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/bayoblg-206-strr-1013-19-containering-diebstahl-lebensmittel-eigentum-umweltschutz-containern/
Fenster schließen
Artikel drucken
38161

BayObLG zum Containern: Ver­ur­tei­lung wegen Dieb­stahls rechts­kräftig

von Manuel Göken

14.10.2019

Unverschlossene Müllcontainer hinter einem Supermarkt (Symbolbild)

© Aleksandr Volkov - stock.adobe.com

Das BayObLG hat die Verurteilung zweier Studentinnen, die weggeworfene Lebensmittel aus einem verschlossenen Container eines Supermarktes nahmen, bestätigt. Das letzte Wort zum sogenannten Containern könnte aber das BVerfG haben.

Anzeige

Schon für das Amtsgericht (AG) Fürstenfeldbruck als Erstinstanz war der Aufwand für das Verfahren "nur noch schwer nachzuvollziehen". Dennoch erreichte ein Fall um das sogenannte Containern nun auch das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG). Die Münchner Richter bestätigten letztinstanzlich die Verurteilung zweier Studentinnen wegen Diebstahls, die von einem Supermarkt in einem verschlossenen Container entsorgte Lebensmittel mit sich nahmen (Beschl. v. 02.10.2019, Az. 206 StRR 1013/19 und 206 StRR 1015/19). 

Zu dem Verfahren vor dem AG war es letztlich nur gekommen, weil die Staatsanwaltschaft in Fällen des Containerns ein besonderes öffentliches Interesse sah. Einen Strafantrag hatte der Filialleiter des betroffenen Supermarktes nach einem Shitstorm im Internet nämlich nicht gestellt, weswegen die Studentinnen ursprünglich auf die Einstellung des Verfahrens gehofft hatten.

Supermärkte als Eigentümer der entsorgten Lebensmittel

Vom AG waren die beiden Frauen dann aber Ende Februar wegen Diebstahls mit Strafvorbehalt gemäß § 59 Strafgesetzbuch (StGB) verwarnt worden. Eine Verurteilung zu einer Geldstrafe in Höhe von 15 Tagessätzen á 15 Euro blieb damit vorbehalten. Die Bewährungszeit hatte der Richter auf zwei Jahre festgesetzt. Lediglich eine Bewährungsauflage von acht Stunden sozialer Arbeit bei der Tafel mussten die Studentinnen einhalten.

Den Grund dafür, dass das Verfahren nun auch vor dem BayObLG landete, lieferten die Studentinnen dann aber selbst: Sie legten gegen die Entscheidung des AG Revision ein, für die in diesem Fall nun das BayObLG anstelle des Oberlandesgerichts (OLG) München zuständig ist.*

Das Rechtsmittel hat das BayObLG jetzt aber als unbegründet verworfen und die Auffassung, dass die Studentinnen einen Diebstahl begangen hätten, bestätigt. Der Strafsenat erklärte, dass sich die Lebensmittel im Eigentum des Supermarktes befanden und für die Frauen "fremd" im Sinne des § 242 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) gewesen seien, als die beiden sie wegnahmen.

Rechtslage: wie bei Kleiderspenden und Sperrmüll

Die Lebensmittel seien zwar ausgesondert worden, um sie von einem Entsorgungsunternehmen abholen zu lassen, so das BayObLG. Allerdings habe der Supermarkt sein Eigentum dadurch nicht aufgegeben, heißt es in dem Beschluss. Er habe nämlich für die gesundheitliche Unbedenklichkeit der Lebensmittel einzustehen, die er in den Verkehr bringt - und deswegen ein Interesse daran, dass die Lebensmittel ordnungsgemäß entsorgt werden.

Wenn der Supermarkt sein Eigentum aber nur zugunsten des Entsorgungsunternehmen aufgeben will, liege kein Verzichtswille vor, der die Sachen herrenlos werden ließe, entschieden die Münchner Richter. Seine Entscheidung stützt der Strafsenat ferner darauf, dass der Container verschlossen war und der Supermarkt deswegen nicht in die Mitnahme der Lebensmittel durch einen anderen als das Entsorgungsunternehmen eingewilligt habe.

Das BayObLG setzt weggeworfene Lebensmittel in Abfallcontainern damit etwa Kleiderspenden oder Sperrmüllentsorgungen gleich, die konkret einer weiteren Verwendung zugeführt werden sollen.

Containern bald ein Fall für das BVerfG?

Rechtsanwalt Max Malkus, der eine der Studentinnen in dem Verfahren vertritt, kritisiert die nun rechtskräftige Entscheidung. Das BayObLG habe zwar mit der juristisch herrschenden Meinung das Fortbestehen des Eigentums an wertlosen Lebensmitteln im Abfallcontainer eines Supermarktes begründet, so der Leipziger Strafverteidiger. Die Verurteilung wegen der Verletzung an festgestellt wertlosem Eigentum (das AG hatte die Geringwertigkeit der Lebensmittel im Container nach § 243 Abs. 2 StGB angenommen, sodass ein besonders schwerer Fall des Diebstahls ausgeschlossen war; Anm. d. Red.) an durch einen Supermarkt weggeworfenen Lebensmitteln sei aber absolut unverständlich angesichts der täglichen Ressourcenvernichtung.

Die Verteidigung hatte in dem Revisionsverfahren argumentiert, dass das Eigentum an Lebensmitteln ende, wenn diese in einen Abfallcontainer gegeben würden. Zudem müsse auch der Umwelt- und Tierschutz aus Art. 20a des Grundgesetzes (GG) neben der verfassungsrechtlichen Verpflichtung aus dem Eigentum bei der strafrechtlichen Bewertung berücksichtigt werden. Entsprechend überlegen die Studentinnen – unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte – Verfassungsbeschwerde zu erheben. Dann könnte das Containern bald schon das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beschäftigen.

*Korrektur am Tag der Veröffentlichung, 17.34 Uhr: seit dessen Einführung ist das BayObLG anstelle des OLG München für Revisionen bei erstinstanzlicher Zuständigkeit der Amtsgerichte zuständig

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

BayObLG zum Containern: Verurteilung wegen Diebstahls rechtskräftig . In: Legal Tribune Online, 14.10.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38161/ (abgerufen am: 27.06.2022 )

Infos zum Zitiervorschlag
Das könnte Sie auch interessieren:
  • Spendentransporte in die Ukraine - Was Helfer beachten müssen, um sich nicht strafbar zu machen
  • Stand der Ermittlungen - "Sturm" auf den Reichstag ohne Kon­se­qu­enzen?
  • Baden-Württemberg veröffentlicht Leitfaden - Die Steuern der Influ­encer
  • Impfausweisfälschung nach altem Recht - Eine Ent­schei­dung des BGH muss her
  • 9.200 Euro Geldstrafe wegen Titelmissbrauchs - AfD-Poli­tiker Gunnar Beck durfte sich nicht Pro­fessor nennen
  • Rechtsgebiete
    • Strafrecht
  • Themen
    • Ethik
    • Lebensmittel
    • Straftaten
    • Strafverfahren
TopJOBS
Sach­be­ar­bei­te­rin/Sach­be­ar­bei­ter (m/w/d) IT-Un­ter­stüt­zung

Bundeswehr , Bonn

Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (m/w/x)

Freshfields Bruckhaus Deringer , Düs­sel­dorf

Rechts­fach­wirt im Soft­wa­re Sup­port (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Lei­ter Di­gi­ta­les Pro­dukt­ma­na­ge­ment WKO (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Rechts­an­wäl­tin / Rechts­an­walt (m/w/d) - Whi­te Col­lar /...

White & Case , Frank­furt am Main

Kor­rek­tu­ras­sis­ten­ten/in­nen (m/w/d) für den Be­reich Rechts­wis­sen­schaft ...

Universität Mannheim , Mann­heim

Sach­be­ar­bei­te­rin/Sach­be­ar­bei­ter (m/w/d) Ver­trags­be­ar­bei­tung

Bundeswehr , Ko­b­lenz

Fach­re­fe­rats­lei­ter*in (w/m/d)

Hagen Law School in der iuria GmbH , Ha­gen

Voll­ju­ris­tin / Voll­ju­ris­ten (m/w/d)

Staatliche Lotterie- und Spielbankverwaltung , Mün­chen

Sach­be­ar­bei­te­rin/Sach­be­ar­bei­ter (m/w/d) Per­so­nal­we­sen

Bundeswehr , Köln

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
Montagmorgenkaffee: Als Expertin sichtbar zu sein, heißt diskutierbar zu sein

27.06.2022

Business Breakfast Arbeitsrecht

29.06.2022, Stuttgart

Onlineseminar - Fahrverbot in Bußgeldsachen

29.06.2022

Online-Einführung zum Crashkurs Verkehrsrecht - kostenfrei

29.06.2022

Pensions Run Off @Rentnergesellschaft: Aktuelle Entwicklungen und Gestaltungsmöglichkeiten

29.06.2022

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH