BayObLG gibt Autofahrer Recht: Keine Ret­tungs­gasse auf der Bun­des­straße inner­orts

10.01.2024

Das AG Augsburg hatte gegen einen Autofahrer eine Geldbuße und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt, weil er innerorts keine Rettungsgasse auf einer Bundesstraße gebildet hatte. Das BayObLG entschied nun, dass er das gar nicht musste.

Das Bayerische Oberste Landgesgericht (BayObLG) hat entschieden, dass innerorts auf Bundesstraßen keine Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse besteht, wie kürzlich bekannt wurde (Beschl. v. 26.09.2023, Az.201 ObOWi 971/23).

Hintergrund der Entscheidung ist der Fall eines Autofahrers, der vom Amtsgericht (AG) Augsburg zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 240 Euro verurteilt worden war und der zusätzlich ein einmonatiges Fahrverbot kassiert hatte. Der Mann hatte sich innerorts auf einer autobahnähnlichen Bundesstraße befunden und nach Auffassung des AG geweigert, eine Rettungsgasse zur Durchfahrt von Polizei- oder Hilfsfahrzeugen zu bilden. So habe er ein Polizeifahrzeug mehrere Minuten von der Weiterfahr abgehalten. Das AG hatte darin ein ordnungswidriges Verhalten gesehen und den Mann wegen eines Verstoßes gemäß §§ 11 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) verurteilt.

Der Autofahrer legte Rechtsbeschwerde* ein und argumentierte, dass innerorts schon gar keine Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse bestehe. Außerdem habe er in der Situation immer noch alles ihm Mögliche getan, um Platz für die Polizei zu machen. Das BayObLG überprüfte die Entscheidung des AG Augsburg und hob diese nun teilweise auf.

BayObLG argumentiert mit dem Wortlaut

Das Gericht untersuchte die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 StVO, der regelt, wann und wo eine Rettungsgasse zu bilden ist: auf Autobahnen bzw. Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen, sobald nur noch Schrittgeschwindigkeit gefahren wird oder Fahrzeuge zum Stillstand kommen.

Bei der Auslegung der Vorschrift seien insbesondere die Wortlautgrenzen zu berücksichtigen, so das Gericht. Die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse gelte nach § 11 Abs. 2 StVO insofern gerade nicht für den innerstädtischen Verkehr auf einer Bundesstraße. Auch der in diesem Fall autobahnähnliche Ausbau der sich innerorts befindlichen Staße ändere an diesem Auslegungsergebnis nichts.

Im vorliegenden Fall handelte es sich nach Auffassung des Gerichts bei der von dem Betroffenen befahrenen Straße um eine Bundesstraße mit baulich getrennten, zweistreifigen Richtungsfahrbahnen im Bereich einer geschlossenen Ortschaft. Damit lag nach Auffassung des Gerichts weder eine Autobahn noch eine Außerortsstraße vor, auf der die Rettungsgassenbildungspflicht besteht.

Rettungsgasse innerorts ergibt keinen Sinn

Weiterhin sprächen der Sinn und Zweck der Vorschrift dafür, dass innerorts keine Verpflichtung zur Bildung einer Rettungsgasse angenommen werden kann, so das Gericht. Der Zweck des § 11 Abs. 2 StVO sei nämlich, bei Unfällen auf der Autobahn oder Außerortsstraßen den Sicherungs- und Rettungskräften einen schnellen und möglichst sicheren Zugang zu ermöglichen. Innerorts und auf einspurigen Straßen hingegen führen vielmehr Fahrzeuge an den rechten Fahrbahnrand, um die Durchfahrt für die Rettungs- und Polizeifahrzeuge zu ermöglichen. Daher erlaube der Zweck des § 11 Abs.2 StVO nicht, die Bildung einer Rettungsgasse innerorts verpflichtend anzunehmen, schlussfolgerte das Gericht.

Das AG Augsburg durfte nach Einschätzung des BayObLG jedenfalls nicht im Rahmen von § 11 Abs. 2 StVO annehmen, dass eine Rettungsgasse auch innerorts auf einer autobahnähnlich ausgebauten Kraftfahrstraße zu bilden sei. Weiter führte das BayObLG aus, dass die verhängte Geldbuße damit womöglich einen Verstoß gegen den Bestimmheitsgrundatz in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz (GG) und § 3 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) darstellen könnte.

Eine Strafe für den Autofahrer könnte es dennoch geben

Aufgrund dieser festgestellten Rechtsfehler hob das BayObLG die Entscheidung des AG Augsburg teilweise auf und verwies die Sache eben dorthin zur erneuten Entscheidung zurück.

Im Gesamtkontext betrachtet heißt das aber nicht, dass der mit seine Rechtsbeschwerde* erfolgreiche Mann nun ohne Strafe bleibt. Das AG Augsburg hatte in seinem Urteil festgestellt, dass der Betroffene ein Polizeifahrzeug für mindestens fünf Minuten an der Weiterfahrt hinderte. Für dieses Verhalten zog das BayObLG die Begehung einer Ordnungswidrigkeit des Betroffenen nach §§ 38 Abs. 1 Satz 2, 49 Abs. 3 Nr. 3 StVO in Betracht (Blaulicht: "Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen"). Hierzu überlässt das BayObLG aber die vollständigen Feststellungen dem AG Augsburg.

*Korrektur am 11. Januar 2024, 12.11 Uhr: Hier war zunächst fälschlicherweise von "Berufung" die Rede.

so/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BayObLG gibt Autofahrer Recht: . In: Legal Tribune Online, 10.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53554 (abgerufen am: 03.12.2024 )

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