Die Bundeswehr muss nach einem Urteil des Bayerischen LSG die Krebserkrankung eines Soldaten als Folge seiner Tätigkeit als Radarmechaniker anerkennen. Das inzwischen rechtskräftige Urteil lässt kein gutes Haar an der Argumentation der Beklagten. Den Umgang mit erkrankten Soldaten kritisiert das Gericht in scharfen Worten.
Der Kläger war als Berufssoldat an Nierenkrebs erkrankt und litt an einer Schilddrüsenerkrankung. Er beantragte 2002 die Feststellung von Schädigungsfolgen, die von der Bundesrepublik jedoch 2003 und 2008 abgelehnt wurde. Der Mann sei bei seiner Tätigkeit als Radarmechaniker zwar Röntgenstrahlung und radioaktiver Leuchtfarbe ausgesetzt gewesen, die Gesamtstrahlendosis habe aber nicht ausgereicht, um die gesundheitliche Schädigung zu verursachen.
Dies sah das Bayerische Landessozialgericht (Bay LSG) anders und gab dem ehemaligen Soldaten Recht. Bei seiner Krebserkrankung handle es sich um eine Folge seiner Tätigkeit bei der Bundeswehr. Dies hatte ein Gutachten ergeben, welches im Einklang mit den Vorgaben des Berichts der Radarkomission stand. Durch das zwischenzeitlich rechtskräftig gewordene Urteil kann der Mann nun Entschädigung geltend machen (Urt. v. 19.11.2014, Az. L 15 VS 19/11).
Das Vorgehen der Beklagten wurde von den Sozialrichtern scharf kritisiert. So gehe der Senat aufgrund der Aktenlage davon aus, dass im Prozess wichtige Informationen zu Strahlenbelastungen bewusst verfälscht oder verschwiegen worden seien, erforderliche Auskünfte seien erst nach jahrelangem Warten und der Einschaltung höchster Stellen widerwillig und denkbar knapp erfolgt. Die Argumentation der Beklagten bezeichnet das Gericht in verschiedenen Punkten als "irreführend", "nachweislich falsch", "fernab jeglicher Nachvollziehbarkeit", "objektiv nicht haltbar" und "fast grotesk".
3.000 Entschädigungsforderungen nach Krebserkrankungen
Immer wieder hatten frühere Radarmechaniker nach einer Krebserkrankung versucht, Entschädigung zu bekommen. Knapp 3.000 Fälle seien von der Bundeswehrverwaltung bisher bearbeitet worden, hatte die Bundesregierung erläutert. Zweifel an der Korrektheit jener Entscheidungen drückt das LSG zumindest indirekt aus, wenn es schreibt: "Ob und inwieweit angesichts eines derartigen Verhaltens auch weitere Angaben der Beklagten nicht nur in diesem gerichtlichen Verfahren genauerer Nachprüfung bedürfen, sei an dieser Stelle mangels Entscheidungserheblichkeit dahingestellt."
Die Entscheidung reiht sich in eine bereits längere Liste von Urteilen ein, in denen Gerichte gleichfalls scharfe Kritik an der Praxis der Bundeswehr übten, Ersatzansprüche von ehemaligen Soldaten nicht anzuerkennen (so etwa: Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 10.04.2014, Az. 2 B 36/13). Die Handhabung der Fälle gestaltet sich schwierig, da die Geräte, die vor Jahrzehnten bei der Bundeswehr im Einsatz waren, heute nicht mehr existieren und die Gerichte somit auf Angaben der Bundeswehr angewiesen sind.
Das Urteil des LSG führte in der Folge zu einer Kleinen Anfrage der Grünen in Bezug auf die Handhabung der knapp 3.000 Entschädigungsfälle. Daraus ergab sich unter anderem, dass 42 solcher Fälle über zehn Jahre in Bearbeitung waren und 15 noch immer offen sind. Nicht gefragt war, wie viele der krebskranken Antragssteller während der Verfahren verstorben sind.
Mit Materialien von dpa
Constantin Baron van Lijnden, Bayerisches LSG mit Ohrfeige für Bundeswehr: . In: Legal Tribune Online, 08.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15494 (abgerufen am: 10.10.2024 )
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