"Der hat eben besser verhandelt" zählt für Arbeitgeber als Begründung nicht mehr: Eine Frau hat laut BAG auch dann einen Anspruch auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit, wenn der männliche Kollege sein Gehalt besser verhandelt hat.
Vom Equal-Pay-Grundsatz darf nicht deshalb abgewichen werden, nur weil ein männlicher Kollege ein höheres Gehalt fordert und der Arbeitgeber dem nachgibt. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am Donnerstag klargestellt und einer Frau Recht gegeben, die auf Zahlung der Differenzbeträge zum Gehalt des männlichen Kollegen und auf Entschädigung geklagt hatte (Urt. v. 16.01.2023, Az. 8 AZR 450/21). Der achte BAG-Senat sprach der Dresdnerin eine Gehaltsnachzahlung von 14.500 Euro und eine Entschädigung von 2.000 Euro zu.
Die klagende Susanne Dumas war seit dem 01. März 2017 als Vertriebsmitarbeiterin bei einem Metallunternehmen in Meissen bei Dresden beschäftigt. Ihr einzelvertraglich vereinbartes Grundgehalt betrug dabei 3.500 Euro brutto. Daneben waren auch noch zwei männliche Kollegen bei dem Unternehmen beschäftigt, einer davon seit dem 01. Januar 2017. Auch diesem wurden zunächst 3.500 Euro angeboten, was dieser jedoch ablehnte. Stattdessen einigte man sich auf ein höheres Grundgehalt in Höhe von 4.500 Euro. Nach einem Jahr glichen sich die Gehälter des Mannes, der zu einem ähnlichen Zeitpunkt wie Dumas eingestellt worden war, an - bis dann nach einigen weiteren Monaten beiden Männern erneut ein höheres Gehalt angeboten wurde. Der zweite Mann war allerdings seit 30 Jahren im Betrieb, was einen Vergleich vor Gericht schwierig machte.
Dumas klagte zunächst erfolglos auf die Differenzbeträge zum Gehalt des männlichen Kollegen, der zeitgleich mit ihr eingestellt worden war. Sowohl das Arbeitsgericht Dresden als auch das Landesarbeitsgericht Sachsen hielten die ungleiche Bezahlung jedoch für gerechtfertigt. Der Mann sei nur zu dem höheren Gehalt bereit gewesen, den Job anzunehmen. Das Interesse des Unternehmens an der Mitarbeitergewinnung rechtfertige die Gehaltsunterschiede, die Mitarbeitergewinnung sei ein objektives Kriterium.
GFF: Urteil ist "Meilenstein"
Vor dem BAG hatte Dumas' Revision nun aber Erfolg. Sie sei aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt worden, weil ihr trotz gleicher Arbeit ein niedrigeres Grundgehalt gezahlt worden sei, so das BAG. Sie habe deshalb einen Anspruch auf das gleiche Grundgehalt wie ihr männlicher Kollege, mit dem sie sich vergleichen könne.
Das niedrigere Gehalt für gleiche Arbeit begründe die Vermutung nach § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Dem beklagten Unternehmen sei es dabei nicht gelungen, das zu widerlegen, so das BAG. Darauf, dass das höhere Grundgehalt des männlichen Kollegen nicht auf das Geschlecht, sondern auf dessen besseres Verhandlungsgeschick zurückzuführen sei, könne sich das Unternehmen nicht mit Erfolg berufen.
Unterstützt wurde Dumas' Klage von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). "Dieses Urteil ist ein Meilenstein auf dem Weg zur gleichen Bezahlung von Frauen und Männern. Gleiche Bezahlung kann nicht wegverhandelt werden – diese Klarstellung war überfällig", betont Sarah Lincoln, Prozessbevollmächtigte und Verfahrenskoordinatorin der GFF. In der Praxis heiße das, dass Arbeitgeber zwar auf Lohnforderungen eines Arbeitnehmers oder Bewerbers eingehen können. Einer gleichermaßen qualifizierten und erfahrenen Mitarbeiterin müssten sie dann aber auch den Lohn erhöhen, so die GFF in einer Mitteilung.
Verhandlungsgeschick kein objektives Kriterium mehr
Ein Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts und damit Equal Pay sind im AGG, im Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) und im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) geregelt. Nur objektive, geschlechtsneutrale Gründe wie Qualifikation oder Berufserfahrung können bei gleicher Tätigkeit eine unterschiedliche Bezahlung rechtfertigen. "Nun ist klar: Verhandlungsgeschick kann nicht den Ausschlag für Verdienstunterschiede geben", sagte Lincoln.
Laut Statistischem Bundesamt erhielten Frauen 2022 durchschnittlich einen Bruttostundenverdienst von 20,05 Euro, Männer von 24,36 Euro. Nur einen Teil der Lohnlücke erklärte das Statistikamt mit höheren Teilzeitquoten und geringeren Gehältern in frauentypischen Berufen.
Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack bezeichnete das EntgTranspG, das seit 2017 für mehr Gleichheit sorgen soll, als zahnlosen Tiger. "Die Hürden für Gehaltsauskünfte sind zu hoch, und es sind keine Sanktionen vorgesehen", sagte Hannack der Deutschen Presse-Agentur. "Der Benachteiligung von Frauen in Deutschland sind noch immer Tür und Tor geöffnet."
Ähnlich sieht es Lincoln: "Das Gesetz ist zu schwach, um Frauen zu schützen." Nach dem Transparenzgesetz bestünden Auskunftsrechte zum Gehalt nur in Unternehmen ab 200 Beschäftigten. Sie hoffe auf eine neue Richtlinie der EU voraussichtlich im Sommer, die mehr Transparenz bei der Bezahlung von Frauen schaffen könnte.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
BAG zu Entgeltgleichheit: . In: Legal Tribune Online, 16.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51090 (abgerufen am: 04.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag