Breite Meinungspalette: NRV und BRAK zur Digi­ta­li­sie­rung der Haupt­ver­hand­lung

20.02.2023

Die Hauptverhandlung im Strafprozess soll zukünftig in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Zu dem Gesetzesentwurf gehen die Meinungen auseinander. Nun haben sich auch NRV und BRAK geäußert.

Strafprozesse vor dem Landgericht und Oberlandesgericht sollen in Zukunft digital dokumentiert werden. Der vom Bundesjustizministerium veröffentlichte Gesetzesentwurf sieht vor, die Hauptverhandlung künftig in Bild und Ton aufzuzeichnen und die Tonaufzeichnung mittels Transkriptionssoftware in ein Textdokument umzuwandeln. Was das für den Strafprozess insgesamt bedeutet, beurteilen Expertinnen und Experten unterschiedlich. Nun äußerten sich auch die Neue Richtervereinigung (NRV) und die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK).

NRV ist gegen verpflichtende Bildaufnahmen 

Die NRV begrüßt die digitale Aufzeichnung der Hauptverhandlung in einer Stellungnahme ausdrücklich, äußert aber Kritik an dem konkreten Gesetzesentwurf. Eine solche objektive Dokumentation verbessere grundsätzlich die Grundlage für die Nachvollziehbarkeit der Hauptverhandlung und für die richterliche Überzeugungsbildung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung, heißt es in der Stellungnahme. 

Es sei es jedoch vollständig ausreichend, wenn zunächst eine allein audiotechnische Dokumentation samt zeitgleicher Transkription erfolge. Die Bilddokumentation solle dagegen nicht verpflichtend werden. Bedenken gegen eine zusätzliche Bilddokumentation bestünden von Seiten der NRV, weil der damit verfolgte Zweck und Mehrwert nicht deutlich würden. Einer möglichst zügigen Einführung einer störungsfreien und zweckdienlichen Aufzeichnungstechnik stehe der mit der Bilddokumentation einhergehende Mehraufwand vielmehr entgegen. Mit diesem Standpunkt ist die NRV nicht allein: Auch der BGH-Richter Prof. Dr. Andreas Mosbacher sprach sich in einem LTO-Gastbeitrag lediglich für Tonaufnahmen aus

"Der Mensch ist keine Videokamera" 

Die BRAK, die eine Bild-Ton-Aufzeichnung nach eigenen Angaben schon seit Jahren fordert, unterstützt das Gesetzesvorhaben und den entsprechenden Entwurf. Insbesondere erfreulich sei, dass sich der Referentenentwurf nicht auf die Dokumentation der Hauptverhandlung in Form einer Tonaufzeichnung beschränke, lautet es in einer Stellungnahme der BRAK. Zur Begründung heißt es dort unter anderem: "Der Mensch ist keine Videokamera. Es liegt daher nahe, sich der Videokamera zu bedienen, die menschliche Defizite kompensiert."

Die Stellungnahmefrist zu dem Referentenentwurf zur Dokumentation der Hauptverhandlung ist am Freitag abgelaufen. Die Reaktionen auf den Entwurf fielen insgesamt sehr unterschiedlich aus. Beispielsweise stehen der Deutsche Richterbund (DRB) und die Generalstaatsanwaltschaft dem Gesetzesvorhaben und der Idee der digitalen Aufzeichnung kritisch und eher ablehnend gegenüber, während der Deutsche Anwaltsverein (DAV) den Gesetzesentwurf unterstützt. Dem Entwurf folgend soll die Aufzeichnungspflicht ab dem 1. Januar 2030 bundesweit verbindlich gelten.

lp/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Breite Meinungspalette: . In: Legal Tribune Online, 20.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51105 (abgerufen am: 05.12.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen