Debatte um Terrorismus-Strafbarkeit: Vor­feld­kri­mi­na­li­sie­rung auch von Mes­sern und Autos?

27.01.2025

Die Gewalttaten von Magdeburg und Aschaffenburg haben vor allem migrationsrechtliche Debatten ausgelöst. Aber gibt es eher Lücken im Strafgesetzbuch? Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges macht nun einen Vorschlag.

Ein Messer in Aschaffenburg, ein weiteres in Solingen und ein Auto in Magdeburg: Weil zunehmend Alltagsgegenstände als Waffen bei schweren Anschlägen genutzt werden, muss das Strafrecht aus Sicht der baden-württembergischen Justizministerin Marion Gentges dringend angepasst werden. Die Taten zeigten, dass Alltagsgegenstände wie Messer oder Fahrzeuge gezielt missbraucht würden, um größtmöglichen Schaden anzurichten, sagte die CDU-Politikerin.

Dabei geht es nicht um die Tötungs- oder Körperverletzungsdelikte, sondern um die Terrorismus-Strafbarkeit. Im Bereich der Tötungsdelikte spielt es im Strafgesetzbuch (StGB) grundsätzlich keine Rolle, mit welchem Gegenstand die Tat begangen wird. Im Bereich der Körperverletzung führt die Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs dazu, dass eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB vorliegt. Hiervon sind Messerstiche ebenso eindeutig erfasst wie die Verwendung eines Kraftfahrzeugs als Tatwaffe.

Anders verhält es sich im Bereich der Vorfeldkriminalität. Idealerweise sollen Anschläge ja verhindert werden. Das StGB kennt deshalb das Delikt der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a StGB. Gewalttaten sind Tötungsdelikte und Geiselnahmen, wenn sie "nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen". Die Vorbereitung einer solchen Tat ist aber nur strafbar, wenn der Täter für die Tat Sprengstoff oder Schusswaffen hergestellt oder beschafft hat. Das hält Gentges angesichts des modernen Terrorismus für zu eng.

Gentges: Ermittlern fehlt entscheidendes Werkzeug

"Wer einen Anschlag mit einem Molotow-Cocktail plant, macht sich strafbar", sagte Gentges. "Aber wer dasselbe unter Einsatz eines Messers oder eines Pkw vorbereitet, bleibt straffrei. Das ergibt keinen Sinn." Das Strafrecht dürfe vor solchen Bedrohungen "nicht die Augen verschließen". Durch diese Lücke im Gesetz fehle den Staatsanwaltschaften das entscheidende Werkzeug, um frühzeitig gegen Anschlagspläne vorzugehen. Überwachungen oder Durchsuchungen seien ohne Verdacht einer Straftat nicht erlaubt, sie seien aber "oft der Schlüssel zur Verhinderung solcher Anschläge", sagte Gentges.

Außerhalb spezieller Straftatbestände der Vorfeldkriminalität wie § 89a StGB ist die Vorbereitung einer Straftat straflos. Die Grenze zieht § 22 StGB, der die Strafbarkeit des Versuchs regelt. Danach macht sich ein Täter erst dann strafbar, wenn er in der Absicht, den Tatplan umzusetzen, zur Begehung "unmittelbar ansetzt".

Bereits Akte der Vorbereitung einer Straftat unter Strafe zu stellen, gibt Polizei und Staatsanwaltschaft mehr Befugnisse an die Hand. Sie können nicht nur nach Gefahrenabwehrrecht vorgehen, sondern Gewahrsam, Durchsuchungen, Abhör- und andere Ermittlungsmaßnahmen auch auf die Strafprozessordnung stützen.

Gewalttaten von Aschaffenburg und Magdeburg als Beispiele

Gentges' Vorschlag ist nicht neu: Bereits Ende September 2024 hatten Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein einen entsprechenden Entschließungsantrag in den Bundesrat eingebracht. In diesem soll die Bundesregierung aufgefordert werden, in § 89a Abs. 2 StGB neben Schusswaffen und Sprengstoff auch "gefährliche Werkzeuge" aufzunehmen. Der Antrag wurde vom Rechts- und Innenausschuss befürwortet, er hängt jedoch seitdem im Wirtschaftsausschuss fest, wird von der aktuellen Rumpf-Bundesregierung aber ohnehin nicht mehr umgesetzt werden. Der neue Vorstoß der baden-württembergischen CDU-Justizministerin dürfte als Appell an die kommende, voraussichtlich unionsgeführte Bundesregierung zu verstehen sein.

"Es ist schlicht unverantwortlich, diese dringend notwendige Gesetzesänderung auf die lange Bank zu schieben, während unsere Ermittlungsbehörden auf eine klare Rechtsgrundlage angewiesen sind", drängte Gentges. Täter würden immer wieder versuchen, alltägliche Gegenstände zu missbrauchen, denen ein ähnliches Gefahrenpotenzial wie Schusswaffen oder Sprengstoffen zukomme. "Darauf müssen wir reagieren", sagte Gentges.

In Aschaffenburg hat ein 28 Jahre alter Afghane am vergangenen Mittwoch einen zweijährigen Jungen und einen 41 Jahre alten Mann erstochen. Drei Menschen waren schwer verletzt worden. Der Angreifer war der Polizei und der Justiz schon seit längerem bekannt, unter anderem wegen Gewaltvorwürfen und psychischen Auffälligkeiten. In Magdeburg war 50-Jähriger kurz vor Weihnachten mit einem Auto über den Magdeburger Weihnachtsmarkt gerast. Dabei wurden sechs Menschen getötet und knapp 300 Menschen verletzt. 

In beiden Fällen stehen die Sicherheitsbehörden dafür in der Kritik, die Vorzeichen verkannt zu haben. Doch sind die Mittel, gefährliche Täter aus dem Verkehr zu ziehen, begrenzt. LTO hat sie beiden Fällen ausführlich dargestellt: Im Fall des Magdeburger Attentäters wäre neben strafprozessualen Mitteln womöglich ein Unterbringungsgewahrsam eine kurzfristige Option gewesen, im Fall von Aschaffenburg eine Unterbringung nach dem Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz von Bayern.

dpa/eh/mk/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Debatte um Terrorismus-Strafbarkeit: . In: Legal Tribune Online, 27.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56435 (abgerufen am: 17.03.2025 )

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