Ein AfD-Kreistags- und Parteimitglied wollte einen Job beim Thüringer Landesverwaltungsamt. Doch das Innenministerium intervenierte vor der Stellenbesetzung. Nun klagt der Mann die Stelle ein und will Geld aus Verzug und c.i.c.
Ein gelernter Krankenpfleger bewarb sich auf eine Stelle als Sachbearbeiter in der Heimaufsicht beim Landesverwaltungsamt. Allerdings ist der Mann AfD-Mitglied, er sitzt für die Partei sogar als Abgeordnete im Kreistag des thüringischen Kyffhäuser-Kreises. Und der AfD-Landesverband Thüringen ist laut Verfassungsschutz eine "erwiesen rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung".
Daher intervenierte das Innenministerium wegen Zweifeln an der Verfassungstreue des Bewerbers. Der AfD-Mann wollte das nicht hinnehmen und klagte vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Erfurt (Az. 3 CA 2030/24). Vertreten wird er in seinem Verfahren von Rechtsanwalt Max Zimmermann von der Kanzlei Schlömer und Kollegen aus Sangerhausen. Für den Freistaat verhandelte vor dem ArbG Rechtsanwalt Richard Baumann von Baumann & Kollegen aus Erfurt.
Sein Begehr ist nach LTO-Recherchen vielschichtig: Zum einen will er weiterhin die Stelle, zum anderen fordert er die Feststellung, dass ihm Schadensersatz zustehe.
Beschäftigung und Konkurrentenklage
Den Anspruch auf Beschäftigung begründet der AfD-Mann damit, dass bereits ein wirksamer Arbeitsvertrag nach § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zustande gekommen sei, gegebenenfalls auch mündlich. Es gibt zwar unstreitig keinen unterschriebenen Vertrag, doch einen Entwurf des Arbeitsvertrags hatte er erhalten, außerdem hatte es E-Mail-Verkehr und Gespräche gegeben. Für ihn reicht das.
Zudem hat der Mann Konkurrentenklage gem. Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) erhoben, die Anstellung beim Landesamt betrifft schließlich den öffentlichen Dienst. In diesem Rahmen stellte der Mann Anträge auf Abschluss des Arbeitsvertrages sowie auf Einstellung. Sein Argument: Er sei der beste Bewerber auf die Stelle. Hilfsweise will er die Wiederholung der Auswahlentscheidung, weil das Bewerbungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei – und zum rechtmäßigen Verhalten ist die Behörde natürlich jederzeit verpflichtet.
Darüber hinaus hat der Kläger Feststellungsanträge auf Geldzahlung gestellt – beziffert hat er die Ansprüche nicht, er begehrt zunächst nur die Feststellung dem Grunde nach. Primär geht es dabei um das Vorliegen eines Annahmeverzugs gem. §§ §§ 615 BGB, 293 ff. BGB. Denn seiner Ansicht nach besteht ja der Arbeitsvertrag seit Oktober 2024. Da das Landesamt den Mann aber nicht beschäftigt, befindet sich die Behörde nach seiner Auffassung seitdem in Verzug.
Hilfsweise begehrt der Kläger die Feststellung, dass er einen Schadensersatzanspruch aus Culpa in contrahendo (c.i.c., Verschulden bei Vertragsschluss) hat, §§ 311 Abs. 2 BGB, 241 Abs. 2 BGB. Denn wegen der Abläufe im Bewerbungsverfahren, der aus seiner Sicht erfolgten Zusage und dem Übersenden des Arbeitsvertrages habe er im Vertrauen auf den Job sein damaliges Arbeitsverhältnis gekündigt. Nur kurzzeitig war der Mann seitdem in Beschäftigung, überwiegend ist er seit Oktober 2024 arbeitslos. Unter Anrechnung des erhaltenen Arbeitslosengeldes wäre also denkbar festzustellen, dass ein solcher Schadensersatzanspruch besteht.
Reicht AfD-Mitgliedschaft für Zweifel an Verfassungstreue?
Für den Freistaat Thüringen als Beklagten stellt sich das alles anders dar. Zunächst sei schon kein Arbeitsvertrag geschlossen worden. Diese Auffassung teilte das ArbG Erfurt in dem vorausgegangen einstweiligen Verfügungsverfahren (Beschl. v. 25.11.2024, Az. 3 Ga 24/24). Die vom Kläger dargelegten Umstände wie z.B. der E-Mail-Verkehr und der Austausch von Unterlagen belegen nach Auffassung des Gerichts keinen Vertragsschluss. Die geschilderten Vorgänge seien jedem Bewerbungs- und Stellenbesetzungsverfahren immanent, es handle sich um Vorbereitungshandlungen zum eigentlichen Vertragsschluss samt Unterzeichnung. Das gelte auch dann, wenn die Schriftform nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit des Vertrags ist. Bei dieser Einschätzung aus dem Eilverfahren will die Kammer laut ihren Hinweisen in der mündlichen Verhandlung am 3. November bleiben.
Schwieriger wird es für den Freistaat bei der Konkurrentenklage. Das Land argumentierte, der Mann sei nicht der Beste für die Stelle. Denn die Mitgliedschaft in der AfD und die Mandatsträgerschaft im Kreis reichten aus, um Zweifel an seiner Verfassungstreue zu begründen. Aus dieser Kombination sei abzuleiten, dass der Kläger sich bewusst für eine als extremistisch eingestufte Organisation einsetze und deren Ziele aktiv vertrete. Damit sei er für eine Beschäftigung beim Land ungeeignet. Jedoch gab der Freistaat dem Mann im Auswahlverfahren keine Möglichkeit, zu den Zweifel Stellung zu nehmen.
Hier könnte die Krux liegen. Denn bei Zweifeln an der Verfassungstreue müsse dem Bewerber die Möglichkeit gegeben werden, seine persönliche Eignung darzulegen und formal Stellung zu nehmen, so das ArbG. Dazu hätte der Kläger zu seinem Verfassungsverständnis angehört und sich ein Eindruck gebildet werden müssen von seiner Persönlichkeit, der Glaubwürdigkeit und der Bereitschaft, den Anforderungen an die politische Treuepflicht zu genügen.
Für diese Wertung beruft sich das ArbG auf Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Jahr 1980, einerseits in Hinsicht auf die Zweifel an der Verfassungstreue (Urt. v. 02.07.1980, Az. 5 AZR 1241/79) als auch in Bezug auf die politischen Treuepflichten (Urt. v. 05.03.1980, Az. 5 AZR 604/78). Beide Fälle betrafen die Einstellung als angestellte Lehrer in NRW, die Mitglieder in der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) waren.
Vorschlag: Ende des Verfahrens gegen Schadensersatz
Nach der in der mündlichen Verhandlung geäußerten vorläufigen Sicht des Vorsitzenden Richters hat der Freistaat insofern also womöglich einen Fehler im Auswahlverfahren gemacht, teilte das Gericht mit. Der Anspruch auf Einstellung bestehe zwar vermutlich nicht, äußerte der Vorsitzende, dafür aber der Anspruch auf ein fehlerfreies Auswahlverfahren.
Außerdem dürfte der Bewerber den Anspruch aus c.i.c. haben, da er im Vertrauen auf die Einstellung einen Aufhebungsvertrag mit seinem damaligen Arbeitgeber geschlossen und dadurch einen finanziellen Schaden erlitten hatte.
So eine Situation kann die Basis für einen Vergleich sein: Der Richter überschlug in der Verhandlung grob die Zahlen und kam auf einen Betrag in Höhe von 13.300 Euro als Schadensersatz, falls der Bewerber im Gegenzug auf ein erneutes Auswahlverfahren verzichtet. Ein Urteil sprach die Kammer daher nicht, die Parteien werden versuchen sich zu einigen. Falls es nicht dazu kommt, wird die Kammer am 19. Dezember ein Urteil verkünden.
ArbG Erfurt zur Verfassungstreue: . In: Legal Tribune Online, 04.11.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58537 (abgerufen am: 17.11.2025 )
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