Die 1. Kammer des LAG Baden-Württemberg hat am Montag in zwei Berufungsverfahren entschieden, dass mit der Schließung der City BKK zum 30. Juni 2011 die Arbeitsverhältnisse zweier Klägerinnen nicht kraft Gesetzes geendet haben. Anders als die 7. Kammer, die bereits am vergangenen Freitag in zahlreichen Parallelverfahren entschieden hatte, hat sie damit den Klagen der Arbeitnehmer stattgeben.
Die City BKK ging aus einer Fusion der ehemaligen BKK Berlin und der BKK Hamburg sowie der BKK beneVita und der BKK Bauknecht hervor. Sie wurde mit Bescheid des Bundesversicherungsamts vom 4. Mai 2011 zum 30. Juni 2011 wegen Überschuldung und Leistungsunfähigkeit geschlossen. Nach § 153 S. 1 Nr. 3 SGB V wird eine Betriebskrankenkasse von der Aufsichtsbehörde geschlossen, wenn ihre Leistungsfähigkeit nicht mehr auf Dauer gesichert ist.
Gesetzliche Folge der von der City BKK akzeptierten behördlichen Schließung ist, dass nach § 164 Abs. 4 iVm. § 155 Abs. 4 S. 9 SGB V die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten mit dem Tag der Schließung automatisch, d.h. ohne Ausspruch einer Kündigung und Einhaltung der gesetzlichen oder tariflichen Kündigungsfristen, enden. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Arbeitnehmer aufgrund eines für bestimmte Beschäftigtengruppen vorgesehenen Unterbringungsverfahrens bei anderen Betriebskrankenkassen untergebracht werden.
Gegen diese automatische Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse haben zahlreiche Arbeitnehmer im gesamten Bundesgebiet Klage gegen die CityBKK mit der Begründung erhoben, die gesetzlich angeordnete Beendigung der Arbeitsverhältnisse verstoße gegen das Grundgesetz, weil der ansonsten für Arbeitnehmer geltende Kündigungsschutz unterlaufen werde.
Die CityBKK hat sich mit dem Argument verteidigt, die Erhaltung eines funktionierenden Gesundheitssystems rechtfertige die Beendigung der Arbeitsverhältnisse ohne Ausspruch einer Kündigung und Einhaltung von Kündigungsfristen.
1. Kammer LAG BW: Keine Unterbringungspflicht für ordentlich kündbare Arbeitnehmer
Das Arbeitsgericht (ArbG) Stuttgart hatte die Klagen unter Hinweis auf die gesetzlich angeordnete, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Gesetzeslage abgewiesen. Die 1. Kammer des Landesarbeitsgericht (LAG) hat - anders als die 7. Kammer - die Entscheidungen des ArbG abgeändert und den Klagen stattgegeben (Urt. v. 21.05.2012, Az. Sa 2/12 und 3/12ff).
Der Spruchkörper vertritt dabei die Rechtsauffassung, dass - soweit die Arbeitnehmer tarifvertraglich ordentlich kündbar waren - die gesetzliche Beendigung der Arbeitsverhältnisse nicht eintritt, weil für diese Arbeitnehmergruppe keine Unterbringungspflicht besteht und daher die Vorschrift des § 164 Abs. 4 SGB V überhaupt keine Anwendung findet.
Was die tarifvertraglich ordentlich unkündbaren Beschäftigten angeht, so hat der BKK Landesverband Baden-Württemberg jedenfalls in den am Montag entschiedenen Fällen keine zumutbare Unterbringung bei einer anderen Betriebskrankenkasse angeboten, weil die Weiterbeschäftigung jeweils ohne Anerkennung der bisherigen Dienstzeiten angeboten wurde.
Da ein unzumutbares Beschäftigungsangebot der Unterbringungspflicht nicht genügt, ist die gesetzliche Beendigung der Arbeitsverhältnisse ebenfalls nicht eingetreten.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) wurde zugelassen.
age/dpa/LTO-Redaktion
LAG Baden-Württemberg zur Schließung der City BKK: . In: Legal Tribune Online, 22.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6242 (abgerufen am: 10.11.2024 )
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