Gemäßigtes Glaubensbekenntnis oder eine "Ideologie, die [...] Frauen steinigt"? Wegen eines Tweets über die Zeigefinger-Geste von Antonio Rüdiger stellt der Fußball-Nationalspieler nun Strafanzeige gegen Ex-Bild-Chef Julian Reichelt.
Nationalspieler Antonio Rüdiger und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gehen juristisch gegen den Journalisten Julian Reichelt vor. Rüdiger sieht sich durch die Kritik Reichelts an einem von ihm bei Instagram veröffentlichten Foto zum Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan verunglimpft und verleumdet. Der Fußball-Profi von Real Madrid hat deshalb Strafanzeige bei der Berliner Staatsanwaltschaft gestellt, der Verband hat die Angelegenheit bei der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main gemeldet.
In seinem Beitrag am 11. März hatte der praktizierende Muslim Rüdiger ein Foto von sich im weißen Gewand auf einem Gebetsteppich gepostet. Der Zeigefinger seiner rechten Hand zeigt in Richtung Himmel. "Möge der Allmächtige unser Fasten und unsere Gebete annehmen", schrieb Rüdiger als Gruß zum Ramadan. Nach Meinung von Reichelt, dem Ex-Chefredakteur der Bild-Zeitung hat Rüdiger mit dem erhobenen Zeigefinger eine islamistische Geste gezeigt. Reichelt postete auf X einen Screenshot des Fotos als Antwort auf die vom DFB veröffentlichte Startelf für das Länderspiel gegen Frankreich am vergangenen Samstag: "Islamismus heute Abend in der deutschen Start-Elf. Das ist die Ideologie, die alles mit Regenbogen-Farben vom Dach wirft und Frauen steinigt. Antonio Rüdiger sollte uns mehr besorgen als ein Nike-Trikot. #FRAGER."
Das Rüdiger-Management und der DFB bestätigten die Anzeigen gegenüber der dpa. Zuerst hatte die Bild-Zeitung berichtet. Rüdigers Strafanzeige gegen Reichelt liegt der dpa vor. Sie bezieht sich auf die Straftatbestände Beleidigung (§ 185 Strafgetzbuch, StGB), Verleumdung (§ 187 StGB), verhetzende Beleidigung (§ 192a StGB) und Volksverhetzung (§ 130 StGB). Rüdiger selbst wollte sich zu der Angelegenheit nicht äußern.
BMI mahnt Einzelfallbetrachtung an und sieht hier kein Problem
Zu den Ehrschutzdelikten formuliert der BGH in seiner Rechtsprechung, dass ein Angriff auf die Ehre vorliege, "wenn der Täter einem anderen zu Unrecht Mängel nachsagt, die, wenn sie vorlägen, den Geltungswert des Betroffenen mindern würden". Es braucht insoweit ein herabsetzendes Werturteil oder eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung. Ob diese Voraussetzungen im Fall von Reichelts Post vorliegen, wird nun die Staatsanwaltschaft Berlin zu prüfen haben.
Reichelt blieb am Montagabend bei seiner Bewertung der Geste Rüdigers und erklärte auf X zudem: "Auch und gerade weil es um einen beliebten Nationalspieler geht, darf man sich nicht einschüchtern lassen. (...) Was Antonio Rüdiger und der DFB hier anwenden, sind Einschüchterungsmethoden."
Das Bundesinnenministerium erklärte laut Bild-Zeitung, aus seiner Sicht sei der erhobene Finger "als Glaubensbekenntnis zu verstehen und insofern mit Blick auf die öffentliche Sicherheit als unproblematisch einzuordnen. Dies gilt unabhängig von der Tatsache, dass islamistische Gruppen dieses Symbol vereinnahmen und für ihre Zwecke missbrauchen." Das Zeigen des Fingers könne in bestimmten Kontexten als Zeichen einer salafistischen beziehungsweise islamistischen Radikalisierung angesehen werden, wenn Akteure sich bewusst dieser Mehrdeutigkeit bedienten. "Hier kommt es auf die Betrachtung im Einzelfall an", hieß es seitens des BMI weiter.
Wirklich Strafbarkeit?
dpa/jb/LTO-Redaktion
Nach Tweets zur Zeigefinger-Geste: . In: Legal Tribune Online, 26.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54204 (abgerufen am: 08.10.2024 )
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