"Letzte Generation" als kriminelle Vereinigung?: Fünf wei­tere Kli­maak­ti­visten in Mün­chen ange­klagt

24.03.2025

Die Generalstaatsanwaltschaft München hat fünf Aktivisten der "Letzten Generation" angeklagt. Sie sollen Mitglieder einer kriminellen Vereinigung sein – ein unter Juristen umstrittener Vorwurf.

Die Generalstaatsanwaltschaft München hat Anklage zum Landgericht München I gegen fünf ehemalige Mitglieder der "Letzten Generation" erhoben. Das hat die Behörde auf LTO-Anfrage bestätigt. Die Klimagruppe hatte die Anklagezustellung am Montagmorgen zuerst selbst, u.a. auf X, bekannt gegeben. Unter den fünf Angeklagten ist auch die frühere Sprecherin Carla Hinrichs.

Vorwurf der Anklage, die Medienberichten zufolge 149 Seiten umfasst, ist die Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 Strafgesetzbuch (StGB). Demnach riskiert eine Freiheitsstraffe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe, wer eine Vereinigung, die auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, gründet oder sich daran beteiligt. Das gleiche gilt für Personen, die die Vereinigung unterstützen.

Umstrittene Einstufung als kriminelle Vereinigung

Ob die "Letzte Generation" tatsächlich eine kriminelle Vereinigung darstellt, wurde seit Beginn der aktivistischen Tätigkeiten der Klimagruppe intensiv diskutiert. Umstritten ist insbesondere, ob der Zweck der Gruppe auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist und ob von ihr eine "erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit" ausgeht. 

Dieses Merkmal hat der Bundesgerichtshof als einschränkendes Korrektiv für eine sonst ggf. unverhältnismäßig weite Strafbarkeit entwickelt. Jedoch könnte diese Einschränkung durch eine Gesetzesänderung von 2017 hinfällig geworden sein. In den Tatbestand § 129 StGB wurde eine präzisiere Voraussetzung aufgenommen, wonach eine kriminelle Vereinigung auf Begehung solcher Straftaten gerichtet sein muss, die im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Das trifft auf den Tatbestand der Nötigung zu, der bei Straßenblockaden häufig erfüllt ist. Eine einfache Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB kann eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren nach sich ziehen.

Im Zuge der Ermittlungen durch die Generalstaatsanwaltschaft München, die umfangreiche Durchsuchungen, Beschlagnahmungen – inklusive eines vorveruteilenden Warnhinweises – sowie die Überwachung des Pressetelefons beinhalteten, hat das Landgericht München I beide Punkte im November 2023 in einem Beschwerdebeschluss bejaht. Die Begehung von Straftaten, insbesondere Nötigung von Verkehrsteilnehmern durch Straßenblockaden, sei ein wesentlicher Zweck der Gruppe.

Die Berliner Justiz hatte der Gruppe in einem Gutachten dagegen im Sommer 2023 zunächst keine hinreichende Einschüchterungswirkung zugeschrieben. Nachdem die Klimaaktivist:innen ihre Aktionen in der Hauptstadt verstärkt haben, wurde aber auch dort von der Generalstaatsanwaltschaft eine neue Prüfung der Einstufung angefordert.

Mehrere Gerichtsentscheidungen ausstehend

Im Mai letzten Jahres hat die Staatsanwaltschaft Neuruppin die bundesweit erste Anklage gegen Mitglieder der "Letzten Generation" wegen § 129 StGB erhoben. Damals ging es um Angriffe gegen Anlagen der Ölraffinerie PCK in Schwedt im Nordosten Brandenburgs, gegen den Hauptstadtflughafen BER und das Barberini-Museum in Potsdam. Auch die Staatsanwaltschaft Flensburg hat bereits ein Mitglied der Gruppe wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Mehrere Gerichte sind nun mit der Frage befasst, ob es sich bei der "Letzten Generation", generell oder ggf. regional, um eine kriminelle Vereinigung handelt.

Dabei gibt es die Gruppe in ihrer bisherigen Form nicht mehr. Die "Letzte Generation" hat im Dezember angekündigt, ihren Namen ändern zu wollen. Und auch die Proteste, die es zwar weiterhin geben sollte, würden sich ändern. Blockaden vor Autos und Flughäfen seien erst einmal nicht mehr der Fokus, gab Hinrichs damals bekannt.

Die Aktivisten riefen am Montag zu einer Petition gegen das Verfahren in München auf. Dort bezeichnen sie die Anklage als "Angriff auf die grund- und menschenrechtlich garantierte Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit".

lmb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

"Letzte Generation" als kriminelle Vereinigung?: . In: Legal Tribune Online, 24.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56852 (abgerufen am: 29.04.2025 )

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