Gezielte Plagiatsvorwürfe, ein täuschend echter Kongressband und ein mutmaßlicher Rachefeldzug – was wie der Plot eines Thrillers klingt, ist die Grundlage eines echten Prozesses am AG München.
Ein skurriler Fall, der in der Wissenschaftswelt für Aufsehen sorgte, bekommt nun vor dem Amtsgericht (AG) München seine Fortsetzung. Nachdem der renommierte Münchner Rechtsmediziner Professor Matthias Graw fälschlicherweise des Plagiats bezichtigt wurde, steht nun der mutmaßliche Täter vor Gericht.
Der Prozess hat am Donnerstag mit zahlreichen Unterbrechungen begonnen: Unter anderem zweifelten die Verteidiger die Zuständigkeit des Schöffengerichts an und forderten die Ablösung der Staatsanwältin, da sie aus ihrer Sicht die vorgeschriebene Objektivität vermissen ließ. Konkret wirft die Staatsanwaltschaft einem Mann aus München vor, einen wissenschaftlichen Sammelband gefälscht zu haben, um Graw zu diskreditieren und ihm den Plagiatsvorwurf anzuhängen.
Der Fall ist von Anfang an ungewöhnlich: Im Jahr 2022 tauchten plötzlich Plagiatsvorwürfe gegen Graw auf, als bekannt wurde, dass er angeblich Teile seiner Doktorarbeit aus einem Sammelband abgeschrieben haben soll. Doch was zunächst wie ein schwerwiegender, allerdings nicht untypischer Skandal in der Wissenschaft wirkte, stellte sich bald als geschickte Täuschung heraus. Der Sammelband, der angeblich als Beweis für das Plagiat dienen sollte, wurde durch einen Mann gefälscht – und der mutmaßliche Täter, so die Ermittlungen, soll ein ganz besonderes Motiv gehabt haben.
Ein Plan aus Rache?
Die Staatsanwaltschaft München geht davon aus, dass der mutmaßliche Täter, der laut FAZ als Otto Z. identifiziert wurde, einen ausgeklügelten Racheplan verfolgte. Hintergrund: 2020 war Z.s Mutter nach ihrem Tod gegen seinen Willen in der Rechtsmedizin obduziert worden, was ihn offenbar zu einem Racheakt gegen das Rechtsmedizinische Institut der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) motivierte. Bei der Obduktion wurde das Gift Colchicin nachgewiesen, und Z. wurde wegen des Verdachts auf Totschlag zuungunsten seiner Mutter in den Fokus der Ermittlungen genommen. Doch 2021 wurden diese Ermittlungen eingestellt, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete.
Z. soll daraufhin den Sammelband mit der angeblichen Plagiatsquelle konstruiert haben, um Graw in Verruf zu bringen. Der Spiegel berichtete, dass die in dem Band enthaltenen Passagen, die die Doktorarbeit des Rechtsmediziners zu wiederholen schienen, darauf hinweisen sollten, dass Graw 1987 bei seiner Dissertation abgeschrieben hatte. Z. soll sich dazu so weit begeben haben, die Plagiatsjäger auf den Sammelband aufmerksam zu machen – eine Taktik, die im Sommer 2022 das wissenschaftliche Umfeld erschütterte und in der Folge auch öffentlich diskutiert wurde.
Die Täuschung fliegt auf
Im Oktober 2022 kamen die Plagiatsgutachter Stefan Weber und Martin Heidingsfelder zu dem Schluss, dass es sich bei dem Sammelband um eine sorgfältig konstruierte Täuschung handelte. Dabei fanden sie nicht nur Unstimmigkeiten im Impressum, sondern auch in der Übersetzung und den Quellenangaben des Sammelbands, was letztlich den Verdacht der Fälschung erhärtete. Das Prüfverfahren wegen der Plagiatsvorwürfe gegen Graw wurde daraufhin eingestellt. Diese Wendung griff auch der Spiegel auf, der berichtete, dass Graw die Vorwürfe mit den Worten zurückwies, sie seien "grob falsch und absurd".
Nun beginnt der Prozess gegen Z., der laut der Süddeutschen Zeitung vor dem Amtsgericht wegen Urkundenfälschung, Verleumdung und Betrugs angeklagt ist. Das Gericht muss nun klären, ob Z. allein gehandelt hat und mit welcher Absicht er diesen aufwendigen Plan verfolgte.
xp/LTO-Redaktion
mit Material von dpa
Prozessstart am AG München: . In: Legal Tribune Online, 16.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56346 (abgerufen am: 11.02.2025 )
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