Im vergangenen Sommer sorgte eine Aktion einer Klimaaktivistin der Letzten Generation in der Berliner Gemäldegalerie für Schlagzeilen. Nun wurde die Aktivistin zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt.
Nach einer Klebeaktion in der Berliner Gemäldegalerie ist eine Klimaaktivistin zu vier Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. Die 24-Jährige aus Bayern, die sich an dem Holzrahmen des Gemäldes "Ruhe auf der Flucht nach Ägypten" von Lucas Cranach dem Älteren (1472 - 1553) festgeklebt hatte, habe sich der gemeinschädlichen Sachbeschädigung schuldig gemacht, begründete das Amtsgericht (AG) Tiergarten das Urteil am Mittwoch. Außerdem stand die junge Frau wegen Beteiligung an einer Straßenblockade vor Gericht, dafür wurde sie wegen versuchter Nötigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt.
Nach Angaben einer Gerichtssprecherin hat damit erstmals ein Berliner Gericht eine Haftstrafe ohne Bewährung gegen Klimaaktivisten nach Aktionen der Gruppe Letzte Generation verhängt. Anfang des Monats hatte bereits das AG Heilbronn zwei Aktivisten der Letzten Generation zu Freiheitsstrafen von drei bzw. zwei Monaten ohne Bewährung verurteilt.
Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr kann grundsätzlich nach § 56 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) zur Bewährung ausgesetzt werden. Erforderlich hierfür ist eine positive Sozialprognose, d.h. dass zu erwarten ist, dass der Verurteilte künftig keine Straftaten mehr begeht. Freiheitsstrafen unter sechs Monaten darf das Gericht nach § 47 Abs. 1 StGB nur in Ausnahmefällen verhängen, u.a., wenn besondere Umstände in der Persönlichkeit des Täters dafür sprechen.
Richterin sieht keine positive Sozialprognose
"Es ist nicht hinzunehmen, dass sich Teile der Gesellschaft mit Hinweis auf ihre Ziele nicht an Gesetze halten", sagte die Vorsitzende Richterin Susanne Wortmann in ihrer Urteilsbegründung. Eine Bewährungsstrafe komme nicht in Betracht, weil sich die 24-Jährige uneinsichtig gezeigt und gesagt habe, dass sie sich weiterhin an ähnlichen Aktionen beteiligen werde, so die Richterin. Es liefen zahlreiche weitere Verfahren gegen die Frau. Es gebe keine positive Sozialprognose.
Die 24-Jährige und eine weitere Aktivistin der Gruppe Letzte Generation hatten sich im August 2022 mit Sekundenkleber an den Rahmen festgeklebt. Es sei ein Schaden von 2.385 Euro entstanden, hieß es in einem gegen die Frau erlassenen Strafbefehl. Im Juni 2022 hatte sich die Frau außerdem mit drei weiteren Aktivisten auf eine Abfahrt der Berliner Stadtautobahn gesetzt. Zum Prozess kam es, weil die 24-Jährige Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt hatte.
Vor Gericht erklärte sie, sie nehme seit mehr als einem Jahr an Aktionen der Gruppe Letzte Generation teil. "Ich beteilige mich nicht leichtfertig und unüberlegt", sagte sie. Der Protest in der Gemäldegalerie sei symbolisch gewesen. Sie habe Design studiert und schätze Kulturgüter. "Wir haben darauf geachtet, dass das Gemälde durch eine Glasscheibe geschützt ist", so die Frau. Ihr Verteidiger sagte, bei dem Holzrahmen habe es sich um kein Kunstwerk gehandelt - er sei 1952 für 60 Mark erworben worden und nicht wertvoll.
Allein am Montag wurden 260 Strafverfahren eingeleitet
Die Staatsanwältin hatte auf eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro plädiert. Der Verteidiger, der Freispruch gefordert hatte, legte umgehend Rechtsmittel ein. Die Entscheidung sei "lächerlich und populistisch", so der Anwalt.
Die Letzte Generation kritisierte das harte Urteil: "Besonders schockierte uns, dass die Richterin strafverschärfend Sachverhalte berücksichtigte, die sie nicht heranziehen darf, wie etwa weitere laufende Ermittlungsverfahren oder die aktuellen Proteste der Letzten Generation in Berlin", erklärte eine Sprecherin. Nach § 46 Abs. 1 StGB ist die Schuld des Täters Grundlage für die Zumessung der Strafe. Abs. 2 bestimmt, dass unter anderem das Nachtatverhalten bei der Strafzumessung berücksichtigt werden kann.
Bei der Berliner Justiz gibt es Hunderte Verfahren gegen Mitglieder der Letzten Generation. Seit vergangener Woche ist die Klimagruppe wieder verstärkt auf Berlins Straßen aktiv und sorgt mit Blockaden für Staus und Behinderungen. Die Gruppe hatte angekündigt, sie wolle versuchen, die gesamte Hauptstadt lahmzulegen. Die Berliner Polizei ist mit einem Großaufgebot im Einsatz und versucht Blockaden zu verhindern beziehungsweise schnell aufzulösen. Nach ihren Angaben wurden allein am Montag 260 Strafverfahren eingeleitet. Nach Aktionen am Dienstag kamen laut Letzte Generation 31 Klimaaktivisten über Nacht in Polizeigewahrsam.
Die Aktivisten beklagen fehlenden Klimaschutz und verlangen die Einsetzung eines Gesellschaftsrats mit gelosten Mitgliedern. Sie fordern von der Politik einen Plan zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels, mit dem die schlimmsten Folgen der Erderwärmung verhindert werden sollen.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Nach Klebeaktion an Gemälde-Rahmen: . In: Legal Tribune Online, 27.04.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51645 (abgerufen am: 08.11.2024 )
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