Der wegen Abmahnungen gegen Redtube-Nutzer bekannt gewordene Thomas Urmann hat sich persönlich haftbar gemacht, entschied jetzt das AG. Ein Abgemahnter durfte seine Anwaltskosten zurückfordern – in Höhe der gesetzlichen Gebühren.
Das Amtsgericht (AG) Regensburg hat den ehemaligen Rechtsanwalt Thomas Urmann wegen seiner urheberrechtlichen Abmahnungen im Namen der Firma "The Archive AG" zu Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung und sittenwidriger Schädigung verurteilt. Dies wurde am Dienstag bekannt.
Die Klage eines Abgemahnten, der seine Rechtsanwaltskosten von Urmann erstattet haben wollte, war somit teilweise erfolgreich. Er hatte einen Betrag von über 400 Euro verlangt. Das Gericht billigte ihm jedoch nur rund 200 Euro zu, entsprechend der gesetzlichen Gebühren. Denn nur diese seien vom Schadensersatz-Umfang nach § 249 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erfasst (Urt. v. 08.12.2015, Az. 3 C 451/14).
Die ehemals in Regensburg ansässige Rechtsanwaltsgesellschaft Urmann + Collegen hatte Ende 2013 zahlreiche Internetnutzer im Namen der "The Archive AG" schriftlich abgemahnt. Angeblich hätten die Betroffenen durch das Streamen von Pornofilmen des Portals "Redtube" Rechte ihrer Mandantin verletzt, lautete der in den Abmahnungen erhobene Vorwurf. Jeder Abgemahnte sollte so zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie einer Zahlung von Anwaltskosten in Höhe von 250 Euro gebracht werden.
Streaming wohl keine Urheberrechtsverletzung
Diese Praxis fand aber nicht nur aufgrund der hohen Zahl verschickter Abmahnungen Beachtung, sondern weil es sich wohl um die ersten Abmahnungen wegen Streamens geschützter Werke handelte. Ob dies überhaupt eine abmahnfähige Vervielfältigungshandlung darstellt, ist umstritten und bisher nicht Gegenstand (bundes-) gerichtlicher Entscheidungen gewesen. Das Bundesjustizministerium hält das Anschauen von Videostreams für unbedenklich.
Später wurde bekannt, dass die Kanzlei das Landgericht (LG) Köln durch einen Bevollmächtigten dazu bewegt hatte, die Ermittlung von Adressen der Anschlussinhaber und damit potentieller Redtube-Surfer anhand ihrer IP-Adressen zu gestatten. Wie die veröffentlichten Beschlüsse des LG jedoch zeigen sollten, war das Gericht selbst offenbar von einer Rechtsverletzung über eine Tauschbörse und somit von einem völlig anderen Vortrag ausgegangen. Anfang 2014 räumte das LG dann ein, an diesen fraglichen Beschlüssen nicht festhalten zu wollen, und beurteilte Streaming seinerseits als mit dem Urheberrecht vereinbar.
Dennoch holten Urmann + Collegen die begehrten Nutzerdaten auf Grundlage der ergangenen Beschlüsse des LG bei der Telekom ein. Hierin erkannte das AG Regensburg nun die unerlaubte Handlung. Denn obwohl auch ein Rechtsanwalt grundsätzlich auf die Rechtmäßigkeit einer gerichtlichen Entscheidung vertrauen dürfe, müsse davon ausgegangen werden, dass Urmann die Beschlussbegründung des Gerichts sehr wohl gekannt habe. "Kein Rechtsanwalt wird 'blind' auf ihm unbekannte, zur Begründung einer Abmahnung notwendige Vorentscheidungen Bezug nehmen, und diese dann auch noch rechtlich interpretieren, wie in streitgegenständlicher Abmahnung erfolgt", heißt es in dem Urteil des AG.
Nutzerdaten trotz LG-Beschluss rechtswidrig eingeholt
So müsse er auch zutreffend davon ausgegangen sein, dass er trotz der Beschlüsse die Nutzerdaten nicht hätte anfordern dürfen. Denn es sei eine "völlig zutreffende juristische Wertung", dass die Auskunft tatsächlich unter objektiver Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der betroffenen Internet-Anschlussinhaber erfolgt sei, so das AG. Daher habe ein Beweisverwertungsverbot nach § 286 Zivilprozessordnung (ZPO) bestanden, was der beklagte Jurist auch gewusst habe.
Ein vorwerfbares Handeln erkannte das Gericht zudem darin, dass gegenüber den Abgemahnten die vermeintliche Autorität der durch das LG bewilligten Auskunftsersuchen in Stellung gebracht wurde, "um generell die Position der Abmahnadressaten als faktisch aussichtslos erscheinen zu lassen". Das AG erkannte hierin ein arglistiges Verhalten seitens Urmann, das in erster Linie dazu gedient habe, den eigenen Gebührenanspruch durchzusetzen.
Durch dieses eigene Interesse stehe Urmann als beauftragter Anwalt auch nicht mehr außerhalb des konkreten Interessenskonflikts zwischen Mandant und Abgemahnten, so das Gericht. Der Mandant habe hier gerade nicht die Entscheidung darüber getroffen, ob und wie die Abmahnung ausgesprochen wird. Dies sei allein Sache des Beklagten gewesen, der mit den Abmahnungen vor allem ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt habe. Daher sei er auch selbst haftbar wegen unerlaubter Handlung nach § 823 BGB und sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB.
una/LTO-Redaktion
AG Regensburg zu Redtube-Abmahnungen: . In: Legal Tribune Online, 16.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17889 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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