Außerordentliche Kündigung: "Sterbe­hilfe" durch Vermie­terin ist Belei­digung

08.06.2015

Eine Mieterhöhung wollte sich eine Frau aus München nicht gefallen lassen. Das Mietverhältnis erinnere an den Holocaust und sei "massive Sterbehilfe". Nun muss sie die Wohnung räumen.

Ursprünglich hatte die Wohnungseigentümerin vor dem Amtsgericht (AG) München nur die Zustimmung zu einer Mieterhöhung erreichen wollen, klagte dann aber noch auf Räumung. Denn im Rahmen des Mieterhöhungs-Verfahrens hatte die 70-jährige Mieterin, die seit 1983 eine Zweizimmerwohnung zu einer monatlichen Miete von 254,80 Euro bewohnt, in ihren Schriftsätzen harte Worte gewählt:"Das einzige, was bisher von Vermieterseite … geleistet wurde, ist eine massive Sterbehilfe. Man kann das auch mit versuchtem Mord übersetzen, denn wenn man so leiden muss, weil die Hitze in der Wohnung so unerträglich hoch ist, dass man die Schmerzen, die durch die Hitze verursacht werden, nicht mehr ertragen kann, kann man es nur so benennen."

Weiter schrieb die Beklagte: "Die Situation erinnert mich an die Dokus, die man laufend zu sehen bekommt, als die Deutschen die Juden in die Öfen geschoben haben und die übrige Bevölkerung jubelte wie die Weltmeister. Daran scheint sich wie man an meiner Situation erkennen kann, nicht viel geändert zu haben." Die Mieterin hatte behauptet, durch die unter ihrer Wohnung liegende Heizanlage läge die Temperatur in ihrer Wohnung bei bis zu 38 Grad. Ein Sachverständiger hat festgestellt, dass dies nicht stimmt.

In einem weiteren Schreiben behauptet die Mieterin erneut, dass die Überwärmung existiere und dass "brutale Sterbehilfe" durch die Vermieterin geleistet werde. Die Vermieterin kündigte daraufhin das Mietverhältnis fristlos, u.a. wegen der Beleidigungen. Die Beklagte weigert sich, die Wohnung zu räumen. Es tue ihr leid, die Vermieterin beleidigt zu haben, es habe sich um einen Hilferuf gehandelt.

Vertrauen zerstört

Die Vermieterin klagte vor dem AG München auf Räumung der Wohnung. Der zuständige Richter gab ihr Recht (Urt. v. 14.11.14, Az. 452 C 16687/14). Die Äußerungen der Mieterin sind nach Einschätzung des Gerichts massive Beleidigungen. Besonders schwer wiege dabei, dass diese mehrfach gegenüber verschiedenen Richtern in unterschiedlichen Gerichtsverfahren geäußert wurden. Die Mieterin sei zuvor nicht provoziert worden, die Äußerungen seien nicht ansatzweise nachvollziehbar.

Es erschien dem Gericht "in keinster Weise erforderlich oder nachvollziehbar, als "Hilferuf" seinen Vermieter des versuchten Mordes oder der Sterbehilfe zu bezichtigen bzw. sein Vorgehen mit der Vernichtung der Juden im Dritten Reich zu vergleichen." Eine Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen. Bei schwerwiegenden Beleidigungen sei das Vertrauen zerstört, das durch eine Abmahnung nicht wieder hergestellt werden könne. Der Richter gewährte der betagten Mieterin eine sechs-monatige Räumungsfrist, um ihr die Suche nach einer Ersatzwohnung zu ermöglichen.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Außerordentliche Kündigung: . In: Legal Tribune Online, 08.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15771 (abgerufen am: 09.12.2024 )

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