Weil eine 23-Jährige sich das Leben nehmen wollte, indem sie vor eine S-Bahn sprang, leidet die Zugführerin seitdem unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Dafür muss die unter Betreuung stehende Bayerin, deren Selbstmordversuch scheiterte, nun Schmerzensgeld zahlen, entschied das AG München am Freitag.
Das Amtsgericht (AG) München hat am Freitag eine Frau zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt, die mit einem gescheiterten Suizidversuch durch einen Sprung vor eine S-Bahn psychische Schäden bei der Zugführerin verursacht hat (Urt. v. 24.04.15, Az. 122 C 4607/14).
Die 23-jährige beklagte Münchnerin hatte sich mit der Absicht, sich das Leben zu nehmen, vor eine S-Bahn geworfen, überlebte den Unfall jedoch. Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt die Triebwagenführerin. Sie erlitt einen erheblichen psychischen Schock und leidet seitdem an einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Von der Suizidentin verlangte sie nun Schmerzensgeld. Die Münchnerin, die unter Betreuung steht, zahlte nicht. Sie trägt vor, dass sie zum Zeitpunkt des Unfalls nicht in der Lage war, frei eine Willensentscheidung zu treffen, da sie an einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit gelitten habe.
Die zuständige Richterin am AG München gab dennoch der Zugführerin Recht und verurteilte die 23-Jährige zur Zahlung von 1.500 Euro Schmerzensgeld.
Schuldunfähigkeit nicht für den Tatzeitpunkt nachgewiesen
Das Gericht stellte fest, dass sie durch ihren Suizidversuch bei der Zugführerin eine Körperverletzung verursacht hat. Deren psychische Fehlverarbeitung des Unfalls sei eine ganz typische Reaktion auf Unfälle dieser Art und durch das Ereignis ausgelöst. Für die 23-Jährige sei vorhersehbar und erkennbar gewesen, dass sie bei dem Sprung vor den einfahrenden Zug bei dem Zugführer einen psychischen Schaden verursacht.
Die von ihr behauptete Erkrankung habe sie demgegenüber nicht ausreichend nachgewiesen. Sie hatte dem Gericht zwar diverse Schreiben des behandelnden Arztes vorgelegt, wonach sie im November 2011 in einer Klinikambulanz war und stationär vom 26. Januar bis 2. Februar 2012 wegen selbstverletzender Verhaltensweisen (Ritzen) und einer Tablettenintoxikation in einer Klinik behandelt wurde. Außerdem legte sie ein ärztliches Attest vom 14. Januar 2013 vor, wonach sie an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetyp leidet.
Keine Nachweise legte sie aber, so das AG München, trotz entsprechender Hinweise des Gerichts dafür vor, dass sie zum Unfallzeitpunkt am 14. Februar 2012 so sehr erkrankt war, dass sie keinen freien Entschluss fassen konnte. Daher musste das Gericht seiner Ansicht davon ausgehen, dass die Beklagte schuldhaft gehandelt hat.
acr/LTO-Redaktion
AG München zu gescheitertem Schienensuizid: . In: Legal Tribune Online, 27.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15365 (abgerufen am: 15.10.2024 )
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