Druckversion
Sonntag, 18.05.2025, 07:39 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/ag-muenchen-122-c-4607-14-schmerzensgeld-nach-gescheitertem-suizidversuch-bahn-zugfuehrer
Fenster schließen
Artikel drucken
15365

AG München zu gescheitertem Schienensuizid: Schmerzensgeld für traumatisierte Lokführerin

27.04.2015

Weil eine 23-Jährige sich das Leben nehmen wollte, indem sie vor eine S-Bahn sprang, leidet die Zugführerin seitdem unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Dafür muss die unter Betreuung stehende Bayerin, deren Selbstmordversuch scheiterte, nun Schmerzensgeld zahlen, entschied das AG München am Freitag. 

Anzeige

Das Amtsgericht (AG) München hat am Freitag eine Frau zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt, die mit einem gescheiterten Suizidversuch durch einen Sprung vor eine S-Bahn psychische Schäden bei der Zugführerin verursacht hat (Urt. v. 24.04.15, Az. 122 C 4607/14).

Die 23-jährige beklagte Münchnerin hatte sich mit der Absicht, sich das Leben zu nehmen, vor eine S-Bahn geworfen, überlebte den Unfall jedoch. Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt die Triebwagenführerin. Sie erlitt einen erheblichen psychischen Schock und leidet seitdem an einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Von der Suizidentin verlangte sie nun Schmerzensgeld. Die Münchnerin, die unter Betreuung steht, zahlte nicht. Sie trägt vor, dass sie zum Zeitpunkt des Unfalls nicht in der Lage war, frei eine Willensentscheidung zu treffen, da sie an einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit gelitten habe.
Die zuständige Richterin am AG München gab dennoch der Zugführerin Recht und verurteilte die 23-Jährige zur Zahlung von 1.500 Euro Schmerzensgeld.

Schuldunfähigkeit nicht für den Tatzeitpunkt nachgewiesen

Das Gericht stellte fest, dass sie durch ihren Suizidversuch bei der Zugführerin eine Körperverletzung verursacht hat. Deren psychische Fehlverarbeitung des Unfalls sei eine ganz typische Reaktion auf Unfälle dieser Art und durch das Ereignis ausgelöst. Für die 23-Jährige sei vorhersehbar und erkennbar gewesen, dass sie bei dem Sprung vor den einfahrenden Zug bei dem Zugführer einen psychischen Schaden verursacht.

Die von ihr behauptete Erkrankung habe sie demgegenüber nicht ausreichend nachgewiesen. Sie hatte dem Gericht zwar diverse Schreiben des behandelnden Arztes vorgelegt, wonach sie im November 2011 in einer Klinikambulanz war und stationär vom 26. Januar bis 2. Februar 2012 wegen selbstverletzender Verhaltensweisen (Ritzen) und einer Tablettenintoxikation in einer Klinik behandelt wurde. Außerdem legte sie ein ärztliches Attest vom 14. Januar 2013 vor, wonach sie an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetyp leidet.

Keine Nachweise legte sie aber, so das AG München, trotz entsprechender Hinweise des Gerichts dafür vor, dass sie zum Unfallzeitpunkt am 14. Februar 2012 so sehr erkrankt war, dass sie keinen freien Entschluss fassen konnte. Daher musste das Gericht seiner Ansicht davon ausgehen, dass die Beklagte schuldhaft gehandelt hat.

Regelmäßig wird in solchen Fällen nach dem Grund für den Suizidversuch unterschieden: Führt eine spontane Reaktion auf eine schwere Lebenskatastrophe zum Selbstmordentschluss, mag die Fähigkeit zur freien Willensbestimmung zeitweilig ausgeschaltet sein. Anders dürften die Dinge wiederum beim so genannten Bilanzselbstmord liegen, der sich etwa in umfangreichen Abschiedsbriefen dokumentiert.

acr/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

AG München zu gescheitertem Schienensuizid: . In: Legal Tribune Online, 27.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15365 (abgerufen am: 19.05.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Strafrecht
    • Bahn
    • Schmerzensgeld
    • Suizid
  • Gerichte
    • Amtsgericht München
Patient mit Zugang für eine Infusion (Symbolbild) 28.04.2025
Sterbehilfe

BGH verwirft Revision:

Arzt muss wegen Ster­be­hilfe drei Jahre in Haft

Ein Mediziner wurde nach dem assistierten Suizid eines psychisch kranken Patienten wegen Totschlags in Mittäterschaft verurteilt. Seine Revision gegen die Entscheidung des LG Essen ist nun beim Bundesgerichtshof erfolglos geblieben.
 

Artikel lesen
Ein Mann entspannt in einer Sauna (Symbolbild) 28.03.2025
Verkehrssicherungspflicht

LG Coburg zur Verletzung in der Sauna:

Kein Scha­dens­er­satz für ver­brannte Füße

Ein Saunabesucher blieb zwei Minuten am heißen Ofen stehen, verbrannte sich die Füße und forderte Schadensersatz. Doch das LG Coburg bleibt cool: Wer in der Sauna vergisst, dass Hitze Gefahren mit sich bringt, muss mit den Konsequenzen leben.

Artikel lesen
Ein Kind mit Behinderung auf dem Arm der Mutter. 26.02.2025
Schmerzensgeld

OLG Frankfurt zum Arzthaftungsrecht:

720.000 Euro Sch­mer­zens­geld für schwere Geburts­schäden

Wegen grober Behandlungsfehler erhält ein Kind mit schwersten Behinderungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 720.000 Euro. Die Klinik war für die Frau mit einer Hochrisikoschwangerschaft nicht ausgestattet, so das OLG Frankfurt.

Artikel lesen
Ein Apfel und ein Messer zeigen das Problem des Messerverbots im Fernverkehr beim einfachen Snack schneiden. 12.02.2025
Waffen

Messerverbot im Fernverkehr:

Warum das Apfel­schneiden zum Rechts­pro­blem wird

Um die innere Sicherheit zu erhöhen, hat der Gesetzgeber ein neues Messerverbot im Fernverkehr ergänzt. Christian Laustetter analysiert es im Detail und kommt zu dem Schluss: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht – hier erst recht nicht.

Artikel lesen
Der Kölner Dom 30.01.2025
Amtshaftung

Landgericht Köln:

Kirche haftet auch für Miss­brauch durch Ehrenamtler

Greift die Amtshaftung bei sexuellem Missbrauch durch Kirchenbedienstete? Ja, hatte das LG Köln bereits entschieden. Dass das auch im Fall von ehrenamtlich Tätigen gelte, hat es jetzt in einem Hinweisbeschluss durchscheinen lassen.

Artikel lesen
Die Wracks, von zwei nach einem Unfall komplett zerstörten Taxis, liegen am 04.05.2017 am Ballindamm in Hamburg auf der Straße 23.01.2025
Schmerzensgeld

Schmerzensgeld für Mutter des getöteten Sohnes:

Fahr­zeug­halter haftet für Raser­mord mit gestoh­lenem Taxi

Ein junger Mann wurde Opfer einer Raserfahrt mit einem gestohlenen Taxi. Doch nicht nur der Täter haftet – auch der Halter des Taxis und dessen Versicherung. Der Grund: Das Taxi war nicht genug vor Diebstahl gesichert, so das LG Hamburg.

Artikel lesen
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von GvW Graf von Westphalen
Re­fe­ren­da­re (m/w/d) Stand­ort Ham­burg

GvW Graf von Westphalen , Ham­burg

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Cott­bus

Logo von RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) als An­ge­s­tell­te oder in frei­er Mit­ar­beit

RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , 100% Re­mo­te

Logo von Wolters Kluwer
Ju­rist als Pro­dukt­ma­na­ger Print & On­li­ne (m/w/d)

Wolters Kluwer , Hürth

Logo von Oppenhoff
Re­fe­ren­da­re (m/w/d) al­le Fach­be­rei­che

Oppenhoff , Köln

Logo von CMS Deutschland
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) für den Be­reich Wirt­schafts­straf­recht

CMS Deutschland , Stutt­gart

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Neu­rup­pin

Logo von ADVANT Beiten
Re­fe­ren­da­re (w/m/d) - Wirt­schafts­straf­recht & Com­p­li­an­ce

ADVANT Beiten , Düs­sel­dorf

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Karriere-Powerworkshops "Erfolgsfaktor Personal Branding"

20.05.2025

Juristinnen netzwerken ... - After Work live in Köln

22.05.2025, Köln

Rechnungslegung in der Non-Profit-Organisation

20.05.2025

Online Info Session Jurastudium (LL.B., EjP)

21.05.2025

25. Düsseldorfer Insolvenztage 2025

22.05.2025, Düsseldorf

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH