Berufung beim OVG NRW im Februar 2024: Rechts­st­reit um AfD-Beo­b­ach­tung geht im Foyer weiter

von Dr. Markus Sehl und Louis Strelow

08.11.2023

Im Rechtsstreit zwischen der Bundes-AfD und dem Verfassungsschutz findet im Februar das Berufungsverfahren statt. Es geht dabei auch um den "Flügel" um Björn Höcke. Was droht der AfD derzeit überhaupt an heimlicher Überwachung?

Der Rechtsstreit zwischen der AfD und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) geht in die nächste Runde. In einer Pressemitteilung hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen (NRW) mitgeteilt, dass die mündliche Verhandlung in dem Berufungsverfahren für 27. Februar 2024 und falls nötig den Folgetag angesetzt ist.

Es handelt sich um drei Berufungsverfahren: Vor dem Verwaltungsgericht (VG) Köln (Urt. v. 08.03.2022), der Vorinstanz, ging die AfD gegen die Einstufung der Partei (Az. 13 K 326/21) sowie ihrer Jugendorganisation Junge Alternative (Az. 13 K 208/20) als Verdachtsfall nach dem Bundesverfassungsschutzgesetz vor – beides ohne Erfolg. 

Allerdings entschied das VG zugunsten der AfD, dass das BfV den sog. "Flügel", eine ehemalige Gruppierung innerhalb der Partei, zwar als Verdachtsfall, nicht aber als "gesichert extremistische Bestrebung" einstufen darf (Az. 13 K 207/20). Auch hierüber wird das OVG NRW im Berufungsverfahren entscheiden. Eine Entscheidung wird im Anschluss erwartet.

Was droht der AfD derzeit an Überwachung?

Die Einstufung durch der Verfassungsschutz erlaubt den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, unter weiteren Voraussetzungen bis hin zur Überwachung von Telefonaten und E-Mails. Die Hürden für E-Mail- oder Telefonüberwachung sind allerdings hoch, der Verfassungsschutz darf nicht einfach direkt in der Breite loslegen. So müssen Anhaltspunkte für schwerwiegende Straftaten wie Hochverrat, geheimdienstliche Agententätigkeit, Bildung einer terroristischen Vereinigung oder Volksverhetzung vorliegen. Alles Delikte mit voraussetzungsreichen Tatbeständen. Diesen Katalog legt das G-10-Gesetz fest, das Eingriffe in das Telekommunikationsgrund durch deutsche Geheimdienste regelt. Zudem muss eine alternative Informationsbeschaffung aussichtslos oder wesentlich erschwert sein.

Mit der AfD wird nicht eine terroristische Splittergruppe beobachtet, sondern eine Partei mit rund 30.000 Mitgliedern, die nicht vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verboten ist, in allen Landtagen, dem Europaparlament sowie dem Bundestag vertreten ist und dort in der vergangenen Legislatur die größte Oppositionspartei war. Das BVerfG hat 2013 in seiner Entscheidung zur Beobachtung des Linken-Politikers Bodo Ramelow entschieden, dass die Beobachtung gewählter Parlamentarier besonders hohen Hürden unterliegt. Sie greift zusätzlich in das Freie Mandat nach Art. 38 Abs. 1 GG ein. Für die Beobachtung von AfD-Mandatsträgern gilt eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung. Der Art. 46 GG mit seinen Indemnitäts- und Immunitätsregeln schließt außerdem die Beobachtung der unmittelbaren Abgeordnetenarbeit in einem Parlament und in seinen Ausschüssen aus.

Zu dem der AfD drohenden Instrumentarium gehören neben Observationen auch die Anwerbung von V-Leuten. Der Verfassungsschutz darf solche Zuträger aus der Partei gewinnen, die dem Dienst gegen Geld Informationen verschaffen. Allerdings gibt es auch hier speziell für die Parlamente Grenzen. Nach § 9b Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) dürfen Mitglieder des Europäischen Parlaments, des Bundestags, der Landtage sowie deren Mitarbeiter nicht angeworben werden. Außerdem darf niemand angeworben werden, der steuernden Einfluss auf die Partei ausübt, das könnte sich spätestens bei einem Parteiverbotsverfahren rächen. Der für den Verfassungsschutz interessante Personenkreis für eine heimliche Beobachtung der AfD schrumpft damit deutlich zusammen.

Statt in der Messehalle wird im Gerichtsfoyer verhandelt

Das VG Köln hatte das Verfahren damals in eine Messehalle ausgelagert. Der Medien- und Zuschauerandrang war 2022 groß. Außerdem waren auf den Saaltischen hinter den Anwälten beider Seiten demonstrativ rund 160 Aktenordner aufgebaut, es geht in dem Verfahren um viel Material, Einzelaussagen aus vielen Jahren Parteigeschichte. Beim OVG wird nun im großen Innensaal des Gerichts verhandelt. Der hatte schon in Zeiten der Corona-Pandemie mit seinem Fassungsvermögen als Gerichtssaal gedient.

Ein erstes Mal war das OVG bereits in der Sache im Einsatz. Im September 2023 hat es einen Eilantrag, den die AfD gegen ihre Einstufung als Verdachtsfall gestellt hatte, abgelehnt. Die AfD wollte die Feststellung erreichen, dass ihre Einstufung als Verdachtsfall rechtswidrig sei und bis zur Rechtskraft einer Hauptsachenentscheidung vorläufig untersagt werden müsse. Das OVG zeigte sich unbeeindruckt von diesem "Testlauf" und lehnte ab, weil das VG über eine solche vorübergehende Regelung bereits ablehnend entschieden habe.

Zitiervorschlag

Berufung beim OVG NRW im Februar 2024: . In: Legal Tribune Online, 08.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53107 (abgerufen am: 09.12.2024 )

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