Volksverhetzung durch AfD-Flyer?: Staats­an­walt­schaft ermit­telt wegen "Abschie­beti­cket"

von Tanja Podolski

15.01.2025

Ein AfD-Kreisverband hat ein "Abschiebeticket" an Bürger in Karlsruhe verteilt. Das sei keine Volksverhetzung, weil auf der Rückseite politische Forderungen stünden, so die Partei. Doch so klar sei die Lage nicht, sagt ein Strafrechtler.

Der AfD-Kreisverband Karlsruhe hat "Abschiebetickets" in Briefkästen in Karlsruhe eingeworfen. Die Vorderseite gleicht einem Flugticket, darauf vermerkt ist das Datum der Bundestagswahl. Als Passagier sind auf allen Tickets genannt: "illegale Einwanderer". Die Reise solle von Deutschland in ein "sicheres Herkunftsland" gehen. Die Einstiegszeit ist von 08-18:00 Uhr angegeben. Die Zahl 8 ist in der rechten Szene ein Zeichen für Hitler, die Uhrzeit entspricht aber auch der Öffnung der Wahllokale am Bundeswahltag. Und auch der Sitzplatz 51P ist auf jedem Ticket genannt – der P 51 war ein US-Jagdflugzeug im Kampf gegen die Nazis. Mit dem Vorgehen kopiert die Partei eine Aktion der rechtsextremistischen NPD, die sich mittlerweile in "Die Heimat" umbenannt hat. 

In mehreren sozialen Netzwerken heißt es, der Flyer sei teilweise gezielt bei Migrant:innen eingeworfen worden. Die AfD selbst teilt nach heftiger Kritik auf der eigenen Homepage mit, der "Wahlwerbeflyer wird derzeit in möglichst großer Zahl und ohne besondere Vorgaben oder Einschränkungen in Karlsruhe verteilt". Auch auf die Zahl 8 geht der Verband ein: "Wir können uns bei aller Kreativität nicht vorstellen, dass die Bundeswahlleiterin sich dabei an irgendwelchen nationalsozialistischen Kodifizierungen orientiert", es handele sich lediglich um die Öffnungszeiten der Wahllokale.

Der Verband verweist zudem auf die Rückseite des Tickets. Dort seien gesetzeskonforme Forderungen abgebildet. Erstmals war der Flyer am vergangenen Wochenende auf dem Bundesparteitag der AfD in Riesa aufgetaucht.

Wie ist das "Abschiebeticket" zu deuten?

Wie auch immer man das Design auf dem "Abschiebeticket" interpretieren mag: Jedenfalls schaut sich auch die Staatsanwaltschaft Karlsruhe den Vorgang derzeit an. Auf LTO-Anfrage teilte die Behörde mit: "Im Zusammenhang mit den sog. 'Abschiebetickets' der Partei 'Alternative für Deutschland' (AfD) wird bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe derzeit ein Anzeigevorgang gegen Unbekannt wegen des Tatvorwurfs der Volksverhetzung geführt". Volksverhetzung ist in § 130 Strafgesetzbuch (StGB) normiert.

Aus Sicht von Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Kubiciel, Strafrechtsprofessor an der Uni Augsburg, sei insbesondere zu prüfen, ob gegen Teile der Bevölkerung zum Hass angestachelt beziehungsweise die Menschenwürde angegriffen wird. "Sollte man dem Flyer die Eignung entnehmen können, zum Hass gegen Teile der inländischen Bevölkerung anzustacheln oder die Menschenwürde anzugreifen, kann die Tatbestandsmäßigkeit nicht schlicht mit Verweis auf politische Forderungen rückgängig gemacht werden", so Kubiciel gegenüber LTO. Entscheidend sei vielmehr, ob die Voraussetzungen der sogenannten Sozialadäquanzklausel vorliegen, ob also der Flyer als ein Mittel zur staatsbürgerlichen Aufklärung zu bewerten ist. 

"Dazu müsste er vorrangig der Vermittlung von Wissen zur Anregung der politischen Willensbildung der Empfänger dienen", so der Strafrechtler. Liege der Schwerpunkt hingegen auf volksverhetzender Agitation und Propaganda und wäre die Aufklärung über politische Ziele nur ein Vorwand, bleibe es bei der Strafbarkeit, weil kein Fall von Sozialadäquanz vorliegt. "Das ist zum einen Tatfrage, muss aber zum anderen auch unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Verfassungsrechte der Betroffenen beurteilt werden."

Mitglieder der AfD sind bereits einige Male mit dem Vorwurf der Volksverhetzung konfrontiert gewesen. Unter anderem wurde der zum als gesichert rechtsextrem eingestuften Thüringer Landesverband gehörende AfD-Politiker Björn Höcke wegen Volksverhetzung verurteilt.

tap/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Volksverhetzung durch AfD-Flyer?: . In: Legal Tribune Online, 15.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56336 (abgerufen am: 11.02.2025 )

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