Neubewertung der AfD auf Bundesebene: Was folgt aus der Ein­stu­fung als "gesi­chert rechts­ex­t­re­mis­tisch"?

02.05.2025

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat eine Neubewertung der AfD auf Bundesebene vorgenommen – und kommt zu einem klaren Ergebnis: Die Partei ist insgesamt als rechtsextremistisch einzustufen. Welche Folgen hat diese Einstufung?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat die AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Der Inlandsgeheimdienst teilte mit, der Verdacht, dass die Partei gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen verfolge, habe sich bestätigt und in wesentlichen Teilen zur Gewissheit verdichtet.

Die Partei verfolge Ziele, die im fundamentalen Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen – so das Ergebnis eines über drei Jahre laufenden Prüfverfahrens des BfV. Ausschlaggebend: ein ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis, das ganze Bevölkerungsgruppen abwertet und ihnen das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe abspricht.

Durch die Hochstufung zur gesichert rechtsextremistischen Bestrebung sinken die Hürden für nachrichtendienstliche Überwachungsmaßnahmen. Zwar ändert sich das Instrumentarium nicht: Auch im bisherigen Stadium als Verdachtsfall konnten etwa V-Leute zur Beobachtung eingesetzt werden. Auch Observationen oder Bild- und Tonaufnahmen waren erlaubt. Ein Unterschied liegt jedoch in der Verhältnismäßigkeit möglicher Eingriffe, die jetzt eher gegeben ist.

• Kommt nach der Einstufung jetzt ein AfD-Verbotsverfahren. Darüber sprechen Felix W. Zimmermann und Christian Rath in der neusten Folge des LTO-Podcasts die Rechtslage

Vom Prüffall, zum Verdachtsfall, zur gesichert rechtsextremistischen Bestrebung

Die Landesämter für Verfassungsschutz in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt hatten die jeweiligen AfD-Landesverbände bereits zuvor als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. 

Bereits im Jahr 2021 wurde bekannt, dass das BfV die AfD als sogenannten Verdachtsfall eingestuft hatte – eine Entscheidung, die gerichtlich überprüft wurde. Das Verwaltungsgericht (VG) Köln und später das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) gaben dem Verfassungsschutz Recht: Es gebe zahlreiche Anhaltspunkte dafür, dass die AfD gegen zentrale Prinzipien der Verfassung agiere. Das Verfahren liegt jetzt zur Entscheidung beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Die Gerichte ließen jedoch offen, ob aus diesen Anhaltspunkten eine gesicherte Erkenntnis werde.

Genau das ist nun aus Sicht des BfV eingetreten. Die Äußerungen führender Parteifunktionäre, programmatische Aussagen sowie das Verhalten der Partei im Wahlkampf und gegenüber ihrer Jugendorganisation "Junge Alternative" hätten die ursprünglichen Verdachtsmomente nicht nur bestätigt, sondern in wesentlichen Punkten zur Gewissheit verdichtet. Maßgeblich sei, dass die Partei ein Menschenbild vertrete, das auf rassistischer Ausgrenzung basiere.

Was bedeutet "gesichert rechtsextremistisch"?

Die Einstufung als gesichert rechtsextremistisch bedeutet, dass das BfV nicht mehr bloß Anhaltspunkte, sondern belastbare Erkenntnisse für verfassungsfeindliche Bestrebungen sieht. Vor der Entscheidung hat das BfV ein rund 1.110 Seiten starkes Gutachten zu der Partei erstellt. Das Gutachten ist nur für den internen Dienstgebrauch bestimmt. Es listet unter anderem Äußerungen auf, die der Verfassungsschutz als "fortlaufende Agitation" gegen Geflüchtete und Migranten wertet. Entsprechende Äußerungen von AfD-Politikern finden sich nicht nur in der internen Kommunikation, sondern auch in Reden und sozialen Medien. Sie reichen von Slogans wie "Abschieben schafft Wohnraum!" bis zu Sätzen wie "Jeder Fremde mehr in diesem Land ist einer zu viel."

Rechtlich fußt die Bewertung auf Artikel 1 und Artikel 20 des Grundgesetzes (GG). Diese Normen bilden das Fundament der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Dazu zählen etwa das Prinzip der Menschenwürde , das Demokratieprinzip, der Rechtsstaat sowie das Mehrparteienprinzip. Wer diese Prinzipien aktiv bekämpft oder untergräbt, kann – so sieht es § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 5 Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) vor – als extremistische Bestrebung eingestuft werden.

Genau das sei bei der AfD nun der Fall: Die Partei vertrete ein Volksverständnis, das nicht mit der Würde des Menschen vereinbar sei – vor allem, wenn deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte pauschal abgewertet und ausgegrenzt würden. Begriffe wie "Messermigranten" oder die generelle Unterstellung einer "kulturellen Gewaltneigung" stünden exemplarisch für eine Rhetorik, die gezielt Ressentiments schüre und gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausspiele. "Maßgeblich für unsere Bewertung ist das die AfD prägende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis, das ganze Bevölkerungsgruppen in Deutschland abwertet und in ihrer Menschenwürde verletzt. Dieses Volksverständnis konkretisiert sich in einer insgesamt migranten- und muslimfeindlichen Haltung der Partei.", so Sinan Selen und Dr. Silke Willems, Vizepräsidentinnen des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

Entscheidung ist kein Parteiverbot

Wichtig: Die Entscheidung des BfV ist kein Parteiverbot. Ein solches kann nur durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ausgesprochen werden – auf Antrag von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung. Allerdings könnte die neue Einstufung die politische Diskussion über ein mögliches Verbot befeuern.

Auch können Parteien, die aktiv gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung arbeiten, vom Staat von der Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden.

Ein Blick zurück zeigt: Schon die NPD – heute "Die Heimat" – wurde 2024 von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen. Zwar scheiterten frühere Verbotsverfahren gegen die Partei, doch das BVerfG entschied im Januar, dass ihr keine Steuergelder mehr zustehen. Grundlage war eine Grundgesetzänderung von 2017, die es erlaubt, extremistischen Parteien auch ohne Verbot die Finanzierung zu entziehen.

Die Frage steht nun im Raum: Könnte dieses Schicksal auch der AfD drohen? Ein Ausschluss aus der staatlichen Parteienfinanzierung wäre nur über ein weiteres Verfahren vor dem BVerfG möglich. Die Voraussetzungen sind allerdings genauso hoch wie bei einem Parteiverbot.*

Breite politische Zustimmung – und Forderungen nach Konsequenzen

Die Entscheidung des Bundesamts für Verfassungsschutz, die AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung einzustufen, hat schnell politische Reaktionen ausgelöst. Vertreter aus verschiedenen Parteien loben die Neubewertung als längst überfällig und sehen darin einen entscheidenden Schritt im Kampf gegen die Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Besonders unterstrichen wurde die Bedeutung der Einstufung im Hinblick auf mögliche weitere politische Konsequenzen – insbesondere im Hinblick auf die Frage eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Europapolitikerin, begrüßte die Entscheidung des Verfassungsschutzes und bezeichnete sie als längst überfällig. In einer Stellungnahme erklärte sie gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass die AfD nicht einfach eine Protestpartei, sondern eine "rechtsextremistische Bewegung" sei, die gezielt auf die Zerstörung der demokratischen Grundordnung hinarbeite. Strack-Zimmermann betonte die Dringlichkeit dieser Erkenntnis, die nun auch offiziell bestätigt wurde.

Auch die Grünen-Bundestagsfraktion zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung. Die Abgeordneten Konstantin von Notz und Irene Mihalic hoben hervor, dass die Einschätzung des Verfassungsschutzes nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine politische Relevanz habe – insbesondere in Bezug auf die Erfolgsaussichten eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens. Die Entscheidung des BfV stelle einen wichtigen Baustein in diesem Prozess dar.

Die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Serpil Midyatli begrüßte die Einstufung ebenfalls deutlich: "Jetzt haben wir schwarz auf weiß, was wir schon vorher wussten: Wo Rechtsextremisten drin sind, steht es jetzt auch drauf." Für sie sei klar, dass ein Verbot der Partei folgen müsse. "Das ganze Verfahren muss nun weiter in der nötigen Sorgfalt, belastbar und ohne Fehler vorbereitet werden", forderte Midyatli.

Die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte hierbei, dass der Verfassungsschutz seine Entscheidung über eine Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch selbst getroffen habe. "Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat einen klaren gesetzlichen Auftrag, gegen Extremismus vorzugehen und unsere Demokratie zu schützen", sagte sie laut einer Mitteilung. Dabei arbeite die Sicherheitsbehörde eigenständig. Die neue Einstufung sei das Ergebnis einer umfassenden Prüfung, deren Ergebnisse in einem 1.100-seitigen Gutachten festgehalten seien. "Es hat keinerlei politischen Einfluss auf das neue Gutachten gegeben", versicherte Faeser.

AfD kündigt rechtliche Schritte an

Der stellvertretende AfD-Vorsitzende Stephan Brandner hat die Einstufung seiner Partei als gesichert rechtsextremistisch durch den Verfassungsschutz scharf kritisiert. “Diese Entscheidung des weisungsgebundenen Verfassungsschutzes ist inhaltlich völliger Blödsinn, hat mit Recht und Gesetz überhaupt nichts zu tun und ist eine rein politische im Kampf der Kartellparteien gegen die AfD”, sagte der Bundestagsabgeordnete. 

Brandner sprach von einer "unfairen Kampfmaßnahme gegen die einzige Oppositionskraft", die er zwar als erwartbar, aber dennoch als "unsouverän" empfand – insbesondere da die Neubewertung unter der geschäftsführenden Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgenommen wurde, die ihr Amt bald an den designierten Nachfolger Alexander Dobrindt (CSU) übergibt.

Die beiden AfD-Vorsitzenden, Tino Chrupalla und Alice Weidel, schrieben in einer Mitteilung, die AfD als Oppositionspartei werde nun "kurz vor dem Regierungswechsel öffentlich diskreditiert und kriminalisiert". Das sei erkennbar politisch motiviert. Die Partei werde sich weiter juristisch wehren. Zuständig ist dann in erster Instanz das VG Köln, wo das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen Sitz hat. Über eine Berufung entscheidet dann das OVG in Münster und über eine Revision das BVerwG.

xp/LTO-Redaktion

Mit Material der dpa

*Ergänzt und präzisiert am Tag der Veröffentlichung, 13:15 (Red.).

Zitiervorschlag

Neubewertung der AfD auf Bundesebene: . In: Legal Tribune Online, 02.05.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/57110 (abgerufen am: 14.05.2025 )

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