Der AfD-Politiker Brandner bekommt vom LG Berlin die Quittung für die Nichtbeachtung einer einstweiligen Verfügung: Er muss 5.000 Euro zahlen, ansonsten droht Ordnungshaft.
Die Spiegel-Redakteurin Ann-Katrin Müller ist für ihre kritische AfD-Berichterstattung bekannt. Dass sie "faschistische Züge" bei der AfD konstatiert, passt Stephan Brandner gar nicht. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion meinte, er dürfe Müller als Retourkutsche selbst als "Faschistin" bezeichnen.
Dagegen wehrte sich Müller erfolgreich vor Gericht. Das Landgericht (LG) Berlin hatte Brandner am 11. Januar 2024 (Beschl. v. 11.01.2024, Az. 27 O 546/23) untersagt, "zu behaupten oder zu verbreiten, Ann-Katrin Müller sei eine "Faschistin", "Oberfaschistin" oder "Spiegel-Faschistin". Auch wenn es sich beim Ausdruck "Faschistin" um eine Meinungsäußerung handele, fehlten jedenfalls jegliche tatsächliche Anknüpfungstatsachen, die es rechtfertigten würden, Müller so zu diskreditieren. Das LG bejahte einen Unterlassungsanspruch wegen Beleidigung und erließ eine entsprechende einstweilige Verfügung.
Nun verhängte das LG wegen Zuwiderhandlung gegen diese einstweilige Verfügung ein Ordnungsgeld gegen Brandner in Höhe von 5.000 Euro und ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je angefangene 500 Euro einen Tag Ordnungshaft.
Brandners Renitenz hat teure Folgen
Der Grund: Nach Erlass der einstweiligen Verfügung löschte Brandner zwar die angegriffenen Posts, doch einen anderen ließ er stehen. So hatte Brandner als Reaktion auf das rechtliche Vorgehen Müllers bereits vor Erlass der einstweiligen Verfügung ein Posting auf X verfasst, in dem er schrieb: "Spiegel-Müller fühlt sich als Faschistin beleidigt. Es ist meine feste Auffassung, dass sie eine solche ist."
Durch die unterlassene Löschung dieses Posts habe Brandner gegen das Unterlassungsgebot der einstweiligen Verfügung verstoßen, entschied nun das LG (Beschl. v. 05.03.2024, Az. 27 O 546/23). Denn das Unterlassungsgebot in der einstweiligen Verfügung beinhalte neben der Löschung der streitgegenständlichen Postings auch die Unterlassung sowie Löschung weiterer, kerngleicher Aussagen. Eine Unterlassungsverpflichtung erschöpfe sich nicht in einem bloßen Nichtstun, sondern umfasse auch die Pflicht zur Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor geschaffenen Störungszustands, wenn dem Unterlassungsgebot allein dadurch entsprochen werden könne. Hiergegen habe Brandner durch die Veröffentlichung und das Nicht-Löschen des Postings vom 21. Dezember 2023 verstoßen.
Deshalb verhängte es gegen ihn ein Ordnungsgeld nach § 890 der Zivilprozessordnung (ZPO) in Höhe von 5.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft.
Keine bloße "Klarstellung" von Brandner
Brandner hatte im Ordnungsmittelverfahren, vertreten durch Rechtsanwalt Sascha Schlösser, angeführt, mit dem Posting vom 21. Dezember 2023 habe er lediglich "klargestellt", dass keine Beleidigung vorliege und es sich um eine Meinungsäußerung handele. Dieser Einwand verfing aber nicht. Denn das LG hatte ja bereits in seiner einstweiligen Verfügung festgestellt, dass auch eine solche Meinungsäußerung unzulässig sei. Gegen den Ordnungsmittelbeschluss kann Brandner noch Rechtsmittel einlegen.
Das LG Berlin habe ein deutliches Zeichen gegen die andauernde systematische Hetze gegen Frau Müller gesetzt und Herrn Brandner "die Quittung für seine freche Nichtbeachtung" des gerichtlichen Verbots erteilt, betonte Müllers Anwalt Dr. Srocke gegenüber LTO. "Das Verfahren motiviert hoffentlich auch andere Journalist:innen zu rechtlichen Schritten, wenn sie als Gegner markiert und zur Zielscheibe rechter Pöbeleien werden.", so Srocke weiter.
Brandner äußerte gegenüber LTO nötigenfalls durch alle Instanzen "für Art. 5 GG und die Meinungsfreiheit" zu kämpfen. "Den Bürgern muss klargemacht werden, dass sich Spiegel & Co. nicht jede linke Hetze leisten dürfen und sofort zu Jammerlappen werden, sobald sie selber mal konfrontiert werden." Warum er trotz Verbot des LG die Aussage nicht löschte, erklärte Brandner nicht.
Brander hat sich nach Erlass der einstweiligen Verfügung geweigert, eine Abschlusserklärung abzugeben. Daher hat Müller nun auch Hauptsacheklage erhoben.
Nach der ZPO regelt eine einstweilige Verfügung einen Rechtsstreit nur vorläufig. Erst ein Hauptsacheverfahren führt zu einer endgültigen Regelung. Doch wenn wenig keine Hoffnung für den Antragsgegner besteht, dieses zu gewinnen, hat er eine Möglichkeit das Hauptsacheverfahren, das ja mit weiteren Kosten verbunden ist, zu vermeiden. Und zwar im Wege einer gesetzlich nicht geregelten "Abschlusserklärung". Dort erkennt der Antragsgegner die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung an und verzichtet auf seine Rechte Widerspruch (§ 924 ZPO), Anordnung der Klageerhebung (§ 926 ZPO) und Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände (§ 927 ZPO) zu beantragen.
Das LG Berlin wird sich also erneut mit dem Fall beschäftigen müssen.
cho/LTO-Redaktion
Ann-Katrin Müller gegen Stephan Brandner: . In: Legal Tribune Online, 13.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54090 (abgerufen am: 08.12.2024 )
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