BAG schließt sich dem BGH an: BAG lockert Kon­trollpf­lichten von Anwälten in Frist­sa­chen

21.02.2025

Die Fristenkontrolle ist nicht nur in der Praxis, sondern auch im Examen überaus beliebt. Inwiefern müssen Anwälte die Fristenberechnung ihrer Angestellten kontrollieren? Das BAG ändert jetzt seine Rechtsprechung und folgt dem BGH.

Fristenprobleme tauchen wohl in fast jeder Zivilrechtsklausur im zweiten Examen auf. Hat ein Anwalt eine Frist versäumt, kann oft nur noch ein Wiedereinsetzungsantrag helfen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt es nach § 233 Zivilprozessordnung allerdings nur, wenn den Anwalt kein Verschulden trifft. Nicht alles muss man selbst erledigen, deshalb können Anwälte Aufgaben auch auf zuverlässige, sorgfältig überwachte Mitarbeitende übertragen.

Grundsätzlich können Anwälte auch die Fristenberechnung und -notierung ihren Angestellten überlassen. Dennoch müssen Anwälte dies im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht nochmal kontrollieren. Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat jetzt klargestellt, dass es dabei ausreicht, den Ablauf von Fristen über die Vermerke in der Handakte zu prüfen, sofern sich keine Zweifel an deren Richtigkeit aufdrängen. Eine zusätzliche Prüfung, ob das Fristende auch tatsächlich korrekt im Fristenkalender eingetragen ist, ist nicht mehr erforderlich (Urt. v. 20.02.2025, Az. 6 AZR 155/23).

Der Senat ändert damit seine Rechtsprechung und schließt sich der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) an.

Frist korrekt berechnet, aber falsch notiert

Im Ausgangsfall ging es um einen Lehrer einer Privatschule, der verlangte, dass diese seine Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung übernahm. Die Klage des Lehrers vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Regensburg sowie seine Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) München waren erfolglos, sodass der Lehrer in Revision gehen wollte.

Nach § 74 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) beträgt die Frist zur Einlegung der Revision einen Monat, die Revisionsbegründungsfrist zwei Monate.

Das LAG-Urteil ging dem Anwalt des Lehrers am 9. Mai 2023 zu. Seine – stets zuverlässige – Rechtsanwaltsfachangestellte berechnete das Ende der Revisionsbegründungsfrist zutreffend für den 10. Juli 2023. Den Anweisungen des Anwalts entsprechend notierte sie dieses Datum auf der ersten Seite der Urteilsabschrift.

Dann unterlief ihr aber ein Fehler: Statt den 10. Juli 2023 trug sie aus unerklärlichen Gründen den 10. August 2023 in den Fristenkalender ein. Und auch die Vorfrist für die Revisionsbegründung, die sie nach allgemeiner Weisung des Anwalts in den Fristenkalender eintragen muss, notierte sie fälschlicherweise für den 24. Juli 2023.

Die Akte mit der Urteilsabschrift legte sie dem Anwalt vor, damit dieser kontrollieren konnte, ob sie die Frist korrekt berechnet und in den Fristenkalender eingetragen hatte. Der Anwalt überprüfte lediglich anhand der Handakte nochmals die korrekte Berechnung und Eintragung der Revisionsbegründungsfrist und legte sodann Revision ein. Einen Blick in den Fristenkalender warf er aber nicht mehr.

Entsprechend der – fehlerhaft – notierten Vorfrist stellte der Anwalt erst zu spät fest, dass er die Frist zur Begründung der Revision versäumt hatte.

BAG: Anwalt musste nicht noch Fristenkalender kontrollieren

Das BAG hat aber entschieden, dass ihm entsprechend § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, denn den Anwalt treffe kein Verschulden. Er habe seine Pflicht zur ausreichenden Kanzleiorganisation erfüllt.

Ein Rechtsanwalt muss den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen immer dann eigenverantwortlich prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung vorgelegt werden. Er muss auch alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notierung in den Handakten prüfen.

Dabei darf er sich aber grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränken, sofern sich keine Zweifel an deren Richtigkeit aufdrängen. Der Anwalt muss demnach nicht noch zusätzlich überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich korrekt im Fristenkalender eingetragen ist.

BAG-Senate ändern Rechtsauffassung

Mit dieser Ansicht folgt der Sechste Senat der ständigen Rechtsprechung des BGH, weicht allerdings von der Linie des Ersten, Dritten, Achten und Neunten BAG-Senats ab. Diese hatten nämlich bislang in einem solchen Fall vorausgesetzt, dass Rechtsanwälte nicht nur die Handaktenvermerke kontrollieren, sondern auch einen Blick in den Fristenkalender werfen.

Vor diesem Hintergrund hat der Sechste Senat nach § 45 Abs. 3 S. 1 ArbGG eine Divergenzanfrage an die vier anderen Senate gestellt und das Verfahren nach § 148 ZPO bis zu ihrer Beantwortung ausgesetzt. Mit einer solchen Anfrage wird in Fällen, in denen ein Senat eines obersten Gerichtshofes von der Rechtsprechung eines anderen Senats abweichen will, geklärt, ob der Senat an seiner Rechtsprechung festhalten will.

Die anderen Senate teilten mit, dass auch sie sich der Rechtsauffassung des BGH anschließen.

eh/fkr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BAG schließt sich dem BGH an: . In: Legal Tribune Online, 21.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56645 (abgerufen am: 19.04.2025 )

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